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soziologie.ch soz:mag#8 zwischen tradition und wettbewerb

zwischen tradition und wettbewerb

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Selbstbilder angehender Betriebswirte und ihre Wahrnehmung sozialer Ungleichheiten

Neben der Vermittlung von Fachwissen ĂŒbertragen Fachhochschulen immer auch eine bestimmte Fachkultur: gemeinsam geteilte Normen und Werte und bestimmte Deutungsmuster fĂŒr die Interpretation der Wirklichkeit. Ausgehend von der schulischen Fachkultur werden im folgenden Artikel Selbstbilder von Fachhochschulstudenten sowie ihre impliziten Deutungsmuster sozialer Ungleichheiten untersucht. Eine zunehmende Wettbewerbsorientierung scheint bei vielen Studierenden Verunsicherung auszulösen und wird mit traditionellen Selbstbildern ("Der Unternehmer als pater familias") und Ausgrenzungsstrategien erwidert: Frauen, "Feministinnen", gehören entsprechend nicht ins Kader, und "Fremde" werden als Bedrohung wahrgenommen.

SOZ-MAG Beitrag von Sandra Da Rin

„Die Fachhochschulen vermitteln den Studierenden Allgemeinbildung und grundlegendes Wissen und befĂ€higen sie insbesondere: [...] c. FĂŒhrungsaufgaben und soziale Verantwortung wahrzunehmen“, heisst es im Bundesgesetz ĂŒber die Fachhochschulen. Inwiefern erfĂŒllen die Fachhochschulen diesen Auftrag tatsĂ€chlich? Nehmen die Studierenden ihre „soziale Verantwortung“ wahr? Um diese Frage zu beantworten, habe ich untersucht, welche Bedeutungen Studierende mit ihrem Studium verbinden und ob bzw. wie soziale Ungleichheit dabei thematisiert wird. Dabei habe ich in den Aussagen der Studierenden zur eigenen Berufs- und Bildungslaufbahn nach impliziten Wahrnehmungen und Deutungsmustern von Ungleichheit und Gleichheit gesucht. Denn um Verantwortung in sozialer, das heisst gesellschaftsbezogener Hinsicht wahrnehmen zu können, mĂŒssen zuerst soziale Probleme und soziale Ungleichheit als solche erkannt und anerkannt werden. Mit sozialen Problemen sind nicht individuelle Problemlagen, sondern strukturelle soziale Ungleichheiten gemeint. Die Soziologin Karin Gottschall definiert soziale Ungleichheit als „differente Zugangschancen zu allgemein verfĂŒgbaren und erstrebenswerten sozialen GĂŒtern und Positionen [
], die zugleich mit ungleichen Macht-, Anerkennungs- und Interaktionsmöglichkeiten einhergehen und die die Lebenschancen von Individuen oder Gruppen relativ dauerhaft positiv oder negativ beeinflussen“ (Gottschall 2000, 23).

Ich fĂŒhrte mit den Studierenden Leitfaden-Interviews durch, die ich mit der Grounded Theory nach Strauss und Corbin ausgewertet habe. Dabei habe ich sie nicht direkt nach ihrer Wahrnehmung von sozialer Ungleichheit gefragt, sondern ihre impliziten Deutungen aus Aussagen zu ihrer eigenen Berufs- und Bildungslaufbahn sowie zu Themen wie Globalisierung, Politik, Gerechtigkeit u.a. herausgearbeitet.

Neben der Sichtweise der Studierenden habe ich auch betrachtet, welche Bedeutungen des Betriebsökonomie-Studiums von der ausbildenden Fachhochschule vermittelt werden, ob und wie die Schule allenfalls Ungleichheit und Gleichheit thematisiert. Die von der Schule vermittelten und geltenden Werte und Normen, Verhaltensregeln und -muster habe ich unter dem Begriff der „schulischen Fachkultur“ zusammengefasst. Um diese Fachkultur zu untersuchen, habe ich Dokumente der Schule (Publikationen, Studienprogramme, Evaluationsberichte), meine Beobachtungs- und GesprĂ€chsnotizen wĂ€hrend eines Weiterbildungstages der Dozierenden, GesprĂ€chsnotizen und E-Mail-Kontakte mit der SekretĂ€rin, dem Studienleiter sowie mit der Gleichstellungsbeauftragten beigezogen. Im Sinne einer ethnographisch dichten Beschreibung konnten so wichtige Aspekte der schulischen Fachkultur herauskristallisiert werden.

Schulische Fachkultur und Deutungsmuster der Studierenden

Aus den Interviews mit den Studierenden konnten drei allgemeine Bedeutungen herausgearbeitet werden bezĂŒglich dessen, was die Studierenden mit ihrem Studium verbinden. Diese drei Deutungsmuster lassen sich folgendermassen grob umschreiben:

den Handlungsspielraum der eigenen ökonomischen KonkurrenzfĂ€higkeit monopolisieren, um ein (erhöhtes) SicherheitsbedĂŒrfnis zu befriedigen (‚monopolisieren’);

den Handlungsspielraum der eigenen ökonomischen KonkurrenzfĂ€higkeit erneuern, um die eigene berufliche KonkurrenzfĂ€higkeit aufrecht zu erhalten (‚erneuern’); und schliesslich

den Handlungsspielraum der eigenen ökonomischen KonkurrenzfĂ€higkeit erweitern, um den ökonomischen Handlungsspielraum zu verĂ€ndern, Handlungsalternativen zu haben (‚erweitern’).

Diese drei Deutungsmuster der Studierenden lassen sich als AusprĂ€gungen der schulischen Fachkultur verstehen. Einer Fachkultur, deren wesentlichen Aspekte ich unter dem Titel „Zwischen Tradition, Wettbewerb und Autonomie“ zusammengefasst habe. Die bisherige Ausbildungstradition der Schule wird durch die nationale Fachhochschulreform, die Umwandlung von Höheren Fachschulen in Fachhochschulen mit einem erweiterten Leistungsauftrag, ein StĂŒck weit in Frage gestellt. Zudem hat sich der Wettbewerb verschĂ€rft, da die Fachhochschulen stĂ€rker zueinander in Konkurrenz stehen als frĂŒher und um die bildungspolitische und -ökonomische Anerkennung durch den Bund ringen, um ihren Status als Fachhochschulen (aufrecht) erhalten zu können. Dieser Status wird angestrebt, weil er Chancen auf dem (Aus-)Bildungsmarkt mit sich bringt. Schliesslich lĂ€sst sich der Aspekt der Autonomie ausmachen: die Schulleitung befĂŒrchtet, dass durch die Auflagen des Bundes an Fachhochschulen die bisherige Schulautonomie eingeschrĂ€nkt wird; als Reaktion wird die Autonomie der Schule gegenĂŒber bzw. trotz den Auflagen des Bundes betont.

In diesem Rahmen von bedrohter Tradition, neuem Wettbewerb und eingeschrÀnkter Autonomie vermittelt die schulische Fachkultur, dass die Bedeutung des Betriebsökonomie-Studiums grundsÀtzlich darin liegt, den Handlungsspielraum der individuellen ökonomischen KonkurrenzfÀhigkeit zu sichern.

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Schulische Fachkultur, verschiedene Deutungsmuster der Studierenden bezgl. ihres Studiums und entsprechendes Bewusstsein von sozialer Ungleichheit.

VerdrÀngt Wettbewerb die Tradition?

Anders als die beiden Aspekte Tradition und Wettbewerb und die beiden entsprechenden Deutungsmuster ‚monopolisieren’ und ‚erneuern’, die in einem guten PassungsverhĂ€ltnis zueinander stehen, prĂ€sentiert sich das Deutungsmuster ‚erweitern’ als eine Art schwarzes Schaf, das nicht recht in das vorherrschende betriebsökonomische Denken hineinpassen will. Vielmehr spielt hier die Kritik an und die Autonomie gegenĂŒber einem rein ökonomischen Denken eine wichtige Rolle, was im Hinblick auf die Sicherung und (Aufrecht-)Erhaltung der Fachkultur von Bedeutung ist. Im Folgenden soll jedoch das Deutungsmuster „den Handlungsspielraum der eigenen ökonomischen KonkurrenzfĂ€higkeit monopolisieren“ nĂ€her vorgestellt werden, welches dem Traditionsaspekt der Fachkultur nahe kommt, der im Verschwinden begriffen und vom Wettbewerbsaspekt abgelöst zu werden scheint. Meine Hypothese ist allerdings, dass der Traditionsaspekt und das Deutungsmuster ‚monopolisieren‘ zumindest auf einer latenten Ebene nach wie vor sehr dominant sind, auch wenn auf einer manifesten Ebene Wettbewerb und die stĂ€ndige Erneuerung der eigenen Konkurrenz- bzw. WettbewerbsfĂ€higkeit immer relevanter werden – nicht nur in dem von mir untersuchten Feld, sondern auf dem gesamten Bildungs- und Arbeitsmarkt. [1]

Da der Traditionsaspekt und das entsprechende Deutungsmuster ‚monopolisieren’ zunehmend auf eine latente Ebene verdrĂ€ngt werden, scheint mir eine Analyse, die implizite Deutungen mitberĂŒcksichtigt, bei diesem Typus besonders spannend und aufschlussreich. Das Deutungsmuster „den Handlungsspielraum der eigenen ökonomischen KonkurrenzfĂ€higkeit monopolisieren“ werde ich im Folgenden der Einfachheit halber am Beispiel einer einzelnen Person vorstellen, obwohl die Deutungsmuster alle personenĂŒbergreifende Geltung haben.

Pater familias [2] – Das Unternehmen als Braut

Im Deutungsmuster „den Handlungsspielraum der eigenen ökonomischen KonkurrenzfĂ€higkeit monopolisieren“ zeigt sich als wesentlicher Aspekt ein erhöhtes SicherheitsbedĂŒrfnis, das befriedigt werden will. Seine ursprĂŒngliche Ausbildung in einem staatlichen Betrieb und der Beamtenstatus boten dem Pater familias ursprĂŒnglich eine Art Garantie fĂŒr eine sichere und relativ gut bezahlte Anstellung. Doch die ungeplante Öffnung hin zum freien Markt machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Wettbewerb und Konkurrenz bestimmen nunmehr seinen beruflichen Status.

Als ich den Pater familias nach seinen beruflichen Perspektiven und PlÀnen nach dem Studium frage, antwortet er wie folgt:

„Also, natĂŒrlich der Traum, ich glaube, das ist von mehr oder weniger jedem in diesem Haus, irgendwann einmal, ich sage jetzt einmal, Chef sein. Also Unternehmer. Unternehmer ist vielleicht besser. (...) also wirklich ein Unternehmer zu sein, der von A bis Z in diesem (.) ich sage jetzt einmal, mit diesem GeschĂ€ft verheiratet ist. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, sei dahin gestellt, wirklich einmal das Unternehmertum, wie es an und fĂŒr sich jedem hier ein StĂŒck weit das Ziel ist, zu erleben. Realistisch mĂŒsste ich sagen, sehr wahrscheinlich wird es irgendwo in den Bereich Rechnungswesen gehen.“ [3]

Im Bild „verheiratet sein“ macht der Pater familias den Mann zum Chef und Unternehmer, die Frau zum Unternehmen und zum Besitz, fĂŒr die gesorgt werden muss. Die Frage, ob diese traditionelle Rollenaufteilung gut oder schlecht sei, will sich der Pater familias nicht stellen. Der Begriff „Unternehmertum“ vermittelt das Bild vom Fabrikbesitzer aus dem 19. Jahrhundert, der alle FĂ€den selber in der Hand hĂ€lt, was das Schicksal seiner Fabrik angeht. Er fĂ€llt alle Entscheidungen selber und trĂ€gt auch alle Verantwortung. Er fĂŒhlt sich verantwortlich fĂŒr sein (Familien-)Unternehmen und fĂŒr seine ArbeiterInnen (Angestellte, Frauen und Kinder). Trotz oder wegen seiner Strenge, mit der er Leistung und Disziplin fordert, damit sein Unternehmen lĂ€uft, wird seine AutoritĂ€t nicht in Frage gestellt. Denn er ist nicht einfach ein „Chef“, der befiehlt, sondern ein „Unternehmer“. Ein gerechter Mann, Ehemann und Vater, der auch die Pflicht hat, fĂŒr jene zu sorgen, die von seiner AutoritĂ€t als Fabrikbesitzer, als Pater familias abhĂ€ngig sind.

Das Unternehmertum, der monopolisierte Handlungsspielraum, und die damit verknĂŒpfte Verantwortung des Unternehmers werden von der Öffentlichkeit abgespalten und zu einer familiĂ€ren, privaten Angelegenheit. In diese hat die Politik sich nicht einzumischen.

„Weil da geht schlussendlich auch ein StĂŒck der Freiheit drauf, mit jeder Regelung, auch von einem Unternehmen.“

Der Pater familias kann sich seine Regeln selber setzen. Ohne Ă€usseren Zwang, sondern freiwillig. So wĂŒnscht es sich der Pater familias. Doch das Unternehmertum wird mit einer gewissen VerklĂ€rung beschrieben, als Traum, dem „realistisch“ etwas gegenĂŒber gestellt werden muss: eine Stelle „irgendwo“ im „Bereich Rechnungswesen“. Dies klingt nach einem ZahnrĂ€dchen im grossen Getriebe. Ein RĂ€dchen unter vielen, das weder freiwillig noch autonom handelt, sondern das eingebunden ist in einen Mechanismus, in dem es einfach seine Funktion erfĂŒllt – ohne eine Machtposition oder AutoritĂ€t zu haben.

Der Pater familias, der keiner sein kann, scheint einen Umgang mit diesem SpannungsverhĂ€ltnis von Wunsch und RealitĂ€t zu finden, indem er sich an anderen AutoritĂ€ten orientiert. Nicht nur AutoritĂ€ten im Sinne von Personen (Patres), sondern auch im Sinne von Traditionen, Regeln und Weisungen. Das lĂ€sst sich sehr deutlich erkennen in seiner ErzĂ€hlung darĂŒber, wie er das Studium an der Fachhochschule und seine Mitgliedschaft in einer nur aus MĂ€nnern bestehenden Studentenverbindung erlebt.

Wenn er sich den jeweiligen Anforderungen und Regeln im Studium und in der Studentenverbindung unterwirft, dann geschieht dies auf freiwilliger Basis. Niemand zwingt ihn dazu. Mit Hilfe von „Zeitplanung“, „Pflichtbewusstsein“ und „Selbstdisziplin“ kann er seine Leistung erbringen und mindert so den Konkurrenzdruck, den die realen Erfahrungen auslösen.

Angst vor Ungleichen – Frauen und AuslĂ€nder als Bedrohung

Die gesellschaftlichen VerĂ€nderungen, die mit Traditionen brechen und die nicht zuletzt auch seinen erlernten Monopolberuf aufgehoben haben, erlebt der Pater familias als Bedrohung seines Handlungsspielraumes. Diese gesellschaftlichen VerĂ€nderungen bringen auch einen Wandel des GeschlechterverhĂ€ltnisses mit sich. Im GesprĂ€ch mit dem Pater familias erscheinen Frauen im Berufsleben nur als SekretĂ€rinnen; sie haben nichts in Kaderfunktionen zu suchen. Dies wird deutlich erkennbar, als wir ĂŒber seine Mitgliedschaft bei der rein aus MĂ€nnern bestehenden Studentenverbindung sprechen. In diesem Zusammenhang erwĂ€hne ich die Vereinigung fĂŒr Studentinnen, die es gibt, und frage, ob allfĂ€llige Kooperationen existieren. Seine Antwort lautet:

„Ich möchte jetzt nicht abschĂ€tzig tun, aber, oder es sollte nicht so tönen, es ist mehr, diese wirklich weibliche Organisation, die auf Frauenbelange eingeht, die (.) da hat auch ein Mann nichts drin zu suchen, wie bei uns keine Frau etwas zu suchen hat (lacht kurz) sage ich jetzt einmal. Es ist einfach, wirklich, ich habe Kolleginnen, die dabei gewesen sind oder mal schauen gegangen sind, und nachher sagen, ja, wir haben einen Vortrag ĂŒber „Die Frau in der Wirtschaft und Kaderfunktionen“ gehört, und (.) man muss schon sagen, worauf es ausgerichtet ist, also. Das, was man im, im, am Stammtisch gut als Feministinnen ab-(.), ich sage jetzt mal bös abstempelt.“

Der an und fĂŒr sich harmlose Vortragstitel „Die Frau in der Wirtschaft und Kaderfunktionen“, der in Ă€hnlicher Form wohl schon in unzĂ€hligen nicht-feministischen ökonomischen Kontexten aufgetaucht ist, zwingt den Pater familias dazu, die dahinterliegenden Absichten offen zu legen – was er dann aber nicht tut, sondern nur mit dem Begriff „Feministinnen“ abhandelt. Damit scheint alles gesagt zu sein. Die „Feminstinnen“ werden abgestempelt, das heisst, sie werden mit einem Symbol gebrandmarkt und als Gruppe stigmatisiert. ZusĂ€tzlich werden sie isoliert.

„Diese Frauenorganisation, die ist einfach alleine, die gibt es hier (...), an der Fachhochschule, vielleicht gibt es auch an anderen Schulen etwas Vergleichbares, aber die haben nicht diesen Kontakt untereinander.“

Die Vereinigung der Studentinnen steht „einfach alleine“ da, ohne vereinigendes Dach ĂŒber dem Kopf. Dies im Gegensatz zur studentischen MĂ€nnerverbindung, in der man sich „gewissen Pfeilern“ „unterwirft“, die jede Studentenverbindung hat, einer „bestimmten Rechtsordnung“, nach der man „leben kann“, wo man eine „Linie“ hat, auch eine „Verbundenheit“ mit anderen Studentenvereinen. Im Vergleich dazu ist die Vereinigung der Studentinnen undiszipliniert und verfĂŒgt nicht ĂŒber die „Pfeiler“, welche Handlungssicherheit geben und MĂ€nnerverbindungen unter einem Dach zusammengehörig sein lassen.

Indem der Pater familias die Studentinnen, die er erwĂ€hnt – die „Feministinnen“ – isoliert und als undiszipliniert darstellt, macht er sie zu Ungleichen, deren Konkurrenz er nicht fĂŒrchten muss.

Doch nicht nur die Geschlechtszugehörigkeit, auch die NationalitĂ€t trĂ€gt fĂŒr den Pater familias dazu bei, eine Einheit von Gleichen herzustellen.

„Mit einem Sechstel AuslĂ€nder kann man nicht mehr sagen, dass wir noch so einen festen Volksgedanken haben (...) wir haben einfach ein falsches VerstĂ€ndnis von einer Einheit, wir reden von einer Wirtschaftseinheit (...)“

Zuviel Fremdes und Ungleiches löst das EinheitsgefĂŒhl auf und verunsichert. Werte wie „Volk“ und „Nation“ verlieren ihre Bedeutung, obwohl sie fĂŒr den Pater familias die Grundlage wĂ€ren, um auf dem freien, globalisierten Markt mit Anderen in Konkurrenz und Wettbewerb treten zu können.

MĂ€nnliche Geschlechtszugehörigkeit und NationalitĂ€t dienen also dazu, eine soziale Gruppe von Gleichen herzustellen, aus der Nicht-MĂ€nner und Nicht-Schweizer als Un-Gleiche ausgeschlossen werden. Denn die Un-Gleichen werden als Verunsicherung und Bedrohung erlebt. Durch ihre Existenz auf dem Arbeitsmarkt ist ein traditioneller, mĂ€nnlich und national gefĂ€rbter Monopol-Status erhöhtem Wettbewerb und vermehrter ökonomischer Konkurrenz ausgesetzt. Dies fĂŒhrt zu Status-Verunsicherungen.

Im Bedeutungsmuster ’monopolisieren’ lĂ€sst sich ein Bewusstsein fĂŒr ungleiche ökonomische HandlungsspielrĂ€ume erkennen. Diese Ungleichheit wird jedoch nicht als soziales Problem bewertet, sondern ist erwĂŒnschte Basis, um ein traditionelles Macht-Monopol zu sichern.

Die soziale Verantwortung bleibt auf der Strecke

In dem hier nĂ€her vorgestellten Deutungsmuster ‚monopolisieren’, wie auch im Deutungsmuster „den Handlungsspielraum der eigenen ökonomischen KonkurrenzfĂ€higkeit erneuern“, lĂ€sst sich kein sozialkritisches Bewusstsein von Ungleichheit finden. Einzig im Deutungsmuster „den Handlungsspielraum erweitern“ wird ein Bewusstsein von sozialer Ungleichheit erkennbar. Doch dieses wird im Rahmen der gesamten schulischen Fachkultur an den Rand gedrĂ€ngt. Angesichts dieser Tatsache stellt sich die Frage, wie die Wahrnehmung sozialer Ungleichheit und damit auch die Übernahme sozialer Verantwortung verstĂ€rkt in die betriebsökonomische Ausbildungspraxis einfliessen und wie soziale Gleichheit und soziale Verantwortung zu Werten der betriebsökonomischen Fachkultur werden können. – Denn Eines wird aus der Untersuchung klar: Wollen die Fachhochschulen ihre soziale Verantwortung wahrnehmen, so besteht dringender Handlungsbedarf.

Anmerkungen

[1] Diese Hypothese kann ich auf Grund meiner Daten nicht ĂŒberprĂŒfen. Eine zweite Untersuchung im Sinne einer LĂ€ngsschnittstudie wĂ€re hier nötig.

[2] Bei der Auswertung der GesprĂ€che mit den Studierenden habe ich meinen einzelnen Interviewpartnerinnen und -partnern einen Übernamen gegeben. Dieser hat eine doppelte Funktion: Einerseits ermöglicht er eine anonyme und doch charakteristische Bezeichnung der interviewten Personen; andererseits kann er in seiner charakterisierenden Bezeichnung auch von der individuellen Person losgelöst und als eine Art Typenbezeichnung verstanden werden.

[3]Das Zeichen (.) im Interviewzitat bedeutet eine kurze Unterbrechung, ein kurzes Zögern im Redefluss.

VorschlĂ€ge fĂŒr die Ausbildungspraxis

Wie kann die Wahrnehmung sozialer Ungleichheit und damit auch die Übernahme sozialer Verantwortung verstĂ€rkt in die betriebsökonomische Ausbildungspraxis einfliessen, und wie können soziale Gleichheit und soziale Verantwortung zu Werten der betriebsökonomischen Fachkultur werden? Folgende VerĂ€nderungen könnten einen Ansatz bilden, um die Studierenden zu einer vermehrt kritischen Wahrnehmung sozialer Ungleichheit und zu einer verstĂ€rkten Übernahme sozialer Verantwortung zu bewegen:

Durch die Vermittlung von Wissen ĂŒber soziale Ungleichheit und von AnsĂ€tzen der Wirtschaftsethik mĂŒsste eine Sensibilisierung fĂŒr Prozesse sozialer Schliessung stattfinden: Wer (welche Gruppen) wird wie und warum von erstrebenswerten gesellschaftlichen GĂŒtern und Positionen ausgeschlossen? Grundlegend fĂŒr eine Sensibilisierung wĂ€re auch ein Nachdenken ĂŒber das Image des Studienganges Betriebsökonomie, das sowohl von fĂŒhrenden Vertretern des Studienganges wie auch von den Studierenden als „sehr gutes Image“ bezeichnet wird. Worauf basiert dieses Image? Inwieweit hĂ€ngt es mit der Herstellung von Wirtschaftlichkeit und MĂ€nnlichkeit zusammen, denen eine Vormachtstellung zugesprochen wird?

Mit der Sensibilisierung einhergehen mĂŒsste eine Offenheit gegenĂŒber ökonomischen Denk- und Handlungsmustern, die nicht dem neoliberalen Mainstream entsprechen, sondern diesem auch kritisch gegenĂŒber stehen. In Diskussionen ĂŒber Werte und Normen könnten Wahrnehmungs-, Reflexions- und UrteilsfĂ€higkeit hinsichtlich sozialer Verantwortung entwickelt werden.

Schliesslich mĂŒsste das Leistungsprinzip als alleiniges Gerechtigkeitsprinzip hinterfragt werden. Nicht-Leis-tungsfĂ€higkeit wĂ€re von ihrer engen Koppelung an individuelles Versagen zu lösen und auch als Versagen des kapitalistischen Systems und der sogenannten Marktfreiheit zu reflektieren. Dadurch liesse sich Verantwortung nicht mehr einfach nur als Eigen-Verantwortung an die einzelnen Individuen anbinden, sondern mĂŒsste auch als soziale Verantwortung erkannt und anerkannt werden.

Soweit die Überlegungen in zusammengefasster Form. In der Lizenziatsarbeit sind sie weiter ausgefĂŒhrt. Vgl. dazu die Veröffentlichung Da Rin 2004. Vielleicht erscheinen die VorschlĂ€ge als in der Praxis nur schwer umsetzbar. Doch ich denke, nur so lassen sich bildungs- und gesellschaftspolitisch soziale Verantwortung und soziale Gerechtigkeit zwischen verschiedenen sozialen Gruppen andenken und gestalten, ohne demokratische Gleichheit einer so genannten Marktfreiheit unterzuordnen.

Sandra Da Rin hat an der UniversitĂ€t ZĂŒrich Soziologie, PĂ€dagogik und Philosophie studiert. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen soziale Ungleichheit, Bildung und Arbeitsmarkt, Geschlechterforschung und qualitative Sozialforschung. Der vorliegende Artikel beruht auf ihrer Lizentiatsarbeit "SubjektivitĂ€t und ObjektivitĂ€t sozialer Ungleichheit. Eine Untersuchung ökonomischer Bildung".

Literaturauswahl:

Bundesgesetz ĂŒber die Fachhochschulen (Fachhochschulgesetz, FHSG) vom 6. Oktober 1995 (Stand am 1. Januar 1997). http://www.admin.ch/ch/d/sr/4/414.71.de.pdf.
Da Rin, S. (2004): Wahrnehmung sozialer Probleme und sozialer Verantwortung im Rahmen ökonomischer Bildung an einer Fachhochschule. Bern.
Gottschall, K. (2000): Soziale Ungleichheit und Geschlecht. KontinuitĂ€ten und BrĂŒche, Sackgassen und Erkenntnispotentiale im deutschen soziologischen Diskurs. Opladen.

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«â€čSozialesâ€ș Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem vom [...] Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.»

Max Weber (1985 [1921]): Wirtschaft und Gesellschaft TĂŒbingen: J.C.B. Mohr, S. 1.