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soziologie.ch soz:mag#8 den krieg in bilder fassen

den krieg in bilder fassen

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Die Bilder in dieser Ausgabe des soz:mag sind von der kolumbianischen Künstlerin Juliana Gómez. Im folgenden Text erzählt sie von den Beweggründen für ihre Arbeit zum Kolumbien-konflikt.

„Meine Bilder wollen schön sein, wollen durch ihre Ästhetik die Betrachter in ihren Bann ziehen. Meine Bilder wirken aber auch abstossend, rufen bei genauerer Betrachtung ein Gefühl von Widerwille, ein Unwohlsein hervor. Die Darstellungen von Gewalt wollen die Betrachter in einen Zustand der Zwiespältigkeit und des Hinterfragens versetzen.

Armonisation médiatique Sin título Petit écran La loi du crapaud Sin título Quiebra patas, quiebra cocos Nontoxique Señor Matanza Cerebro de la guerra Unidadoportunidadoportunidad... Vacaciones ? Florecitas del bosque Fragil Sin título Recien llegado

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Meine Bilder erzählen von Kolumbien, von seiner Politik und seinen sozialen Problemen. Von einem Kolumbien, wo die Zukunft nach wie vor kaum kalkulierbar ist, wo die Strassen am Abend verwaisen, weil es keinen Verlass auf politische Instanzen gibt. Ein Land, wo die Korruption das politische und soziale Leben derart lähmt, dass man auf der Stelle tritt, sich kaum noch bewegen kann. Man sollte schreien, toben und seiner Wut Ausdruck verleihen. Schreien, toben und schockieren, all jene Leute wachrütteln, die einen seit mehr als 50 Jahren währenden Konflikt nur noch als Randnotiz im weltweiten Geschehen wahrnehmen. Weil ich nicht schreien möchte, drucke ich.

Die Druckgrafiken in diesem Heft sind Teil einer Arbeit, die ich normalerweise in Form von Installationen ausstelle. Ich verknüpfe meine Bilder mit Informationskollagen aus Zeitungen und Zeitschriften sowie mit bedruckten Kriegsobjekten, die ein – wenn auch nur winziges – Stück des Konflikts in Kolumbien verkörpern. Etwa Gasflaschen, die als Bomben verwendet werden. Durch die Verbindung der einzelnen Werke entsteht ein Ganzes, dessen Struktur die Komplexität und die Verstrickungen des Systems widerspiegelt. Oft werde ich gebeten das Geschehen in Kolumbien zu erklären und jedes mal beginne ich meine Geschichte an einer anderen Ecke, an einem anderen Knotenpunkt des Geschehens. So sind auch meine Installationen immer wieder verschieden, betonen mal diese, mal jene Zusammenhänge und rollen das Phänomen von immer wieder neuen Seiten auf.

Meine Bilder erstelle ich mit einer Vielfalt an Drucktechniken: Holz- und Linolschnitt sowie Radierungen. Diese Verfahren erlauben mir, dank der Möglichkeit zur Reproduktion, meine Arbeit immer wieder neu auszuformen, neue Serien zu entwerfen, in denen sich einzelne Elemente wiederholen und sich zu einem neuen Ganzen formieren lassen.

Als Kolumbianerin verspüre ich die Notwendigkeit, über die Situation in meinem Land zu sprechen. Zu versuchen, diese für mich und für andere verständlich zu machen. Ich verspüre das Bedürfnis, mich zu äussern, zu informieren und bestehende Informationen in Frage zu stellen. Und ich will die Möglichkeit nutzen, mich in Ruhe und Freiheit auszudrücken – solange dies noch möglich ist!“

Kolumbien: Ein halbes Jahrhundert Krieg

Der bewaffnete Konflikt in Kolumbien, dem bevölkerungsreichsten Land Südamerikas nach Brasilien, dauert nun schon über ein halbes Jahrhundert. Hauptursache ist die riesige soziale Ungleichheit, die zu politischen Unruhen und zur Entstehung und Stärkung von Guerillagruppen beigetragen hat. Im Laufe der Jahre hat der Konflikt eine komplexe Eigendynamik entwickelt, und die ursprünglichen Motive der bewaffneten Gruppierungen scheinen in den Hintergrund getreten zu sein. Heutzutage existieren drei Konfliktparteien: Regierungsarmee und Paramilitärs (hauptsächlich hervorgegangen aus Privatarmeen von Grossgrundbesitzern, die sich von der Guerilla bedroht fühlten) kämpfen gegen Guerillatruppen (die grössten sind die FARC „Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia“ und die ELN „Ejército de Liberación Nacional“). Verschärft wird der Konflikt durch den Drogenkrieg: Guerilla und Paramilitär finanzieren sich zu einem grossen Teil durch Drogengeld. Unterstützt von den USA versucht die kolumbianische Regierung mit repressiven militärischen Mitteln (rigide Kontrollen, Vertreibungen, grossflächiges Sprühen von Entlaubungsmitteln) den Anbau von Kokasträuchern und Schlafmohn zu verhindern.

Trotz fortschrittlicher, demokratischer Verfassung und der Ratifizierung von internationalen Rechtsverträgen begehen alle am Konflikt beteiligten Parteien schwere Menschen- und Völkerrechtsverletzungen. Hunderttausende von Menschen sind bis heute ums Leben gekommen, mehr als 2 Millionen sind geflüchtet oder wurden vertrieben. Die Zahl der Entführungen mit Lösegeldforderungen ist immens hoch (allein im Jahr 2003 wurden ca. 2200 Personen entführt), Tausende werden gegenwärtig als Geiseln festgehalten. Die meisten Opfer sind Zivilisten, die von allen Parteien bedroht und terrorisiert werden. Der Krieg blockiert die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes und führt zur Isolierung ganzer Regionen.

In den letzten beiden Jahren konnte zwar ein Rückgang der Gewalttaten verzeichnet werden, und die Regierung verhandelt zur Zeit über die Entwaffnung der Paramilitärs. Dennoch ist Kolumbien nach wie vor das Land mit den weltweit meisten Entführungen und die Bevölkerung leidet tagtäglich unter grauenvollen Verbrechen und einem aussichtslosen Krieg.

Quellen: Zeitschrift Focus des EDA, Feb. 2004 & Jahresbericht Amnesty International: Kolumbien 2004

Juliana Gómez ( Cette adresse email est protégée contre les robots des spammeurs, vous devez activer Javascript pour la voir. ) ist 1976 in Kolumbien geboren und hat in Bogotá bildende Kunst studiert. Seit 2000 lebt und arbeitet sie in Marseille, wo sie letztes Jahr ein Nachdiplomstudium zur Spezialisierung in Drucktechniken abgeschlossen hat. Zur Zeit arbeitet sie in der Künstlervereinigung "La Roulotte", die als Verlegerin von eigenen Arbeiten und von NachwuchskünstlerInnen fungiert sowie Kurse und Ateliers für KunststudentInnen anbietet. Daneben verfolgt sie persönliche Projekte, wie etwa die Installationen, von denen die im soz:mag abgebildeten Grafiken Bestandteil sind.

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«Die wissenschaftliche Theorie, wie ich sie verstehe, stellt sich als ein Wahrnehmungs- und Handlungsprogramm dar, oder als ein wissenschaftlicher Habitus, wenn Ihnen das lieber ist, der sich nur in der empirischen Arbeit offenbart, in der er realisiert wird.»

Pierre Bourdieu im Gespräch mit Loïc Wacquant, in „Reflexive Anthropologie“ (1996), S. 197.