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soziologie.ch soz:mag#7 globale unternehmenstätigkiet: fluch oder segen?

globale unternehmenstätigkiet: fluch oder segen?

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Transnationale Konzerne und deren sozioökonomische Folgen in Entwicklungsländern

In der Debatte über die Auswirkungen der Globalisierung beschäftigen sich Soziologen seit den 70er Jahren mit der Rolle der transnational tätigen Unternehmen in den Entwicklungsländern. Die von der konventionellen ökonomischen Theorie konstatierten positiven Effekte der TNCs (Transnational Corporations) auf die sozioökonomische Entwicklung der "rückständigen" Nationen werden von ihnen kritisch hinterfragt. Dieses Unterfangen ist motiviert durch das Ziel, systematische Zusammenhänge aufzudecken und so einer angemesseneren internationalen sowie nationalen TNC-Entwicklungspolitik den Weg zu bereiten.

SOZ-MAG Beitrag von Marcus Habermann

Die negativen Erfahrungen der Entwicklungsländer aus der Zeit des Kolonialismus und Imperialismus gerieten auch nach 1945 nicht in Vergessenheit. In der darauf folgenden schrittweisen politischen Emanzipation von den durch die Weltkriege geschwächten europäischen Grossmächten, kehrte sich in den Entwicklungsländern bei weitem nicht alles zum Guten. Der Versuch vieler Länder, nach europäischem Vorbild einen Nationalstaat zu entwickeln, scheiterte oft an ungünstigen Voraussetzungen. Die neuen Staaten entfalteten sich oft innnerhalb zufällig entstandener kolonialer Grenzen und weisen deshalb grosse ethnische, religiöse oder sprachliche Unterschiede auf. Spannungen ergeben sich auch durch das Gefälle zwischen modernen Grossstädten und den ländlichen Gebieten mit ihren weiterhin traditionellen Strukturen, sowie zwischen der reichen, gebildeten Oberschicht und der grossen Masse der armen, einfachen Bevölkerung. Dieser Zustand politischer Labilität führte meist zu autoritären Staatsformen unter traditioneller Führung und zu einer feudalähnlichen Sozialordnung. Auch die technisch-industrielle Rückständigkeit gegenüber dem reichen Westen hielt sich hartnäckig und liess einigen Raum für theoretische Spekulationen, warum sich dies so verhielt. Zunächst wurde von vielen Theoretikern wirtschaftliche Rückständigkeit als Wurzel dieser sozialen und politischen Probleme der Entwicklungsländer gesehen. Aber bald wurde erwogen, ob die Gründe für diese Rückständigkeit nicht auch im Erbe des Imperialismus und den globalen kapitalistischen Strukturen zu suchen seien. Eine prominente Rolle spielen in diesem Zusammenhang die transnationalen Tätigkeiten von westlichen Konzernen in „rückständigen“ Gesellschaften. Diesen Unternehmen wurde und wird in der medialen Öffentlichkeit durch Skandale wie Kinderarbeit, schlechteste Arbeitsbedingungen oder politische Einflussnahme weiterhin viel Aufmerksamkeit zuteil.

Im Wettstreit der soziologischen und ökonomischen Entwicklungstheorien haben sich im Laufe der Zeit zwei Hauptrichtungen herausgebildet, welche sich hinsichtlich der Einschätzung der Rolle der transnationalen Konzerne diametral gegenüberstehen. Ein durchwegs positives Bild der TNCs zeichnen die älteren und vorwiegend in der ökonomischen Theorie verhafteten Entwicklungstheorien. Natürlich liessen kritische Reaktionen nicht lange auf sich warten und übten beissende Kritik an diesem gleichsam verharmlosenden Bild und rückten die TNCs in ein sehr negatives Licht. Die starke Polarisierung ist es aber auch, welche sich in empirischen Arbeiten zum Thema als grösste Schwäche beider Theorien herausstellte. Unter anderen wiesen auch die statistischen Auswertungen des Autors keine signifikanten Ergebnisse auf. Dieses Resultat unterstützt aber keinen der beiden angesprochenen Ansätze und wirft deshalb erst recht neue Fragen auf: Liegen beide Theorien, die ökonomische und die soziologische, völlig falsch? Einen solchen Schluss zu ziehen, erscheint aufgrund vieler überzeugender Argumente auf beiden Seiten nicht angemessen. Deshalb wird in neuester Zeit der Versuch unternommen, eine differenziertere Theorie zu entwickeln, welche die flankierenden Massnahmen des Staates berücksichtigt, wenn es um den Entwicklungsbeitrag der TNCs geht (vgl. Herkenrath 2003).

Entwicklungsländer im Teufelskreis

Die Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren zeigte, dass die klassische und neoklassische Strategie des Exportwachstums, geprägt durch das Ausnützen der komparativen Kostenvorteile und das freie Spiel der Marktkräfte, nicht zwingend zu mehr Wohlstand beziehungsweise zu stärkerem Wirtschaftswachstum in den Entwicklungsländern führte. Was waren die Gründe dafür? Die frühen ökonomischen Entwicklungstheorien versuchten auf diese Frage eine Antwort zu finden und fussten mehrheitlich auf der makroökonomischen Theorie von John Maynard Keynes. Sie identifizierten die Kapitalakkumulation als wichtigste Determinante für einen Weg aus der Unterentwicklung und postulierten einen „circulus vitiosus“, einen Teufelskreis, aus welchem die Entwicklungsländer ohne die Steigerung der Sparquote oder die Unterstützung durch ausländisches Kapital nicht mehr ausbrechen können.

Nach der Meinung der Entwicklungsökonomen sollte die nötige Steigerung des Sparaufkommens innerhalb der Entwicklungsländer durch eine Umverteilung zugunsten der höheren Einkommensklassen gewährleistet werden, weil nur diese zum Sparen überhaupt in der Lage seien. Eine solche Theorie setzt klare politische Prioritäten: Wachstum zuerst, Umverteilung später. Diese Argumentation wurde auch von der U-Hypothese von Simon Kuznets gestützt, der durch vergleichende statistische Untersuchungen der Industrialisierungsprozesse verschiedener westlicher Länder zu der Aussage gelangte, dass eine zu Beginn der Industrialisierung vorhandene eher egalitäre Einkommensverteilung sich in eine stärker ungleiche verwandelt, die sich erst mit fortschreitender Industrialisierung wieder abbaut. Ein derartiger Ablauf sei, so folgerten viele, auch in den Entwicklungsländern zu erwarten. Steigende soziale Ungleichheit und die damit verbundenen sozialen Spannungen seien typisch für die Anfangsphase der Industrialisierung und aufgrund der darauf folgenden Urbanisierung, Alphabetisierung, sozialen Mobilisierung, politischen Partizipation und Demokratisierung in Kauf zu nehmende Phänomene.

TNCs nehmen in diesen frühen entwicklungsökonomischen Theorien gleichsam die Rolle der Heilsbringer für den wirtschaftlichen Fortschritt in den Entwicklungländern ein. Sie bringen dringend benötigtes Kapital in den Wirtschaftskreislauf ein, da der Auf- und Ausbau der ausländischen Tochterunternehmen im Gastland laufende Finanzmittelzuschüsse benötigt. In der Folge kommt es zu positiven Beschäftigungseffekten und einem gesteigerten Pro-Kopf-Einkommen, was zu mehr Konsum und Sparmöglichkeiten führt. Zusätzlich, und dies ist ein wesentlicher Vorteil gegenüber reinen Krediten, bringen transnationale Konzerne auch ihr technisches, organisatorisches und kaufmännisches Know-How ins Wirtschaftssystem des Gastlandes ein. Auch die Importabhängigkeit wird geschmälert, da TNCs vormals importierte Güter nun im Inland produzieren und verkaufen.

Der westliche Unternehmertyp erobert die Welt

Zu Beginn der 1950er Jahre begann sich unter dem Überbegriff Modernisierungstheorie eine Denkweise zu etablieren, welche die Konzentration auf die ökonomischen Faktoren in der Entwicklungsökonomie in Frage stellte. In einer soziologischen Angehensweise wurden der kulturelle und der individualpsychologische Wandel als entwicklungsentscheidend und ursächlich für die Rückständigkeit angesehen. Gewissermassen als Alternativ-Ideologie zum Kommunismus wurde der Zustand des Wirtschaftssystems der Industrieländer als Höhepunkt der gesellschaftlichen Evolution dargestellt und damit die Zielrichtung der Entwicklung in den minder entwickelten Staaten festgelegt. Erfolgreiche industrielle Entwicklung liegt demnach in veränderten Wertordnungen und Verhaltensmustern begründet, wobei als zentrale Wandlungsprozesse im kulturellen Bereich Säkularisierung, Rationalisierung, Differenzierung und Verwissenschaftlichung (Weber, Parsons, Eisenstadt) und im individualpsychologischen Bereich Empathiesteigerung und Leistungsmotivation (Hagen, Lerner) identifiziert wurden.

In Bezug auf die von den Modernisierungstheoretikern postulierten Rolle der TNCs zur Beschleunigung des wirtschaftlichen Entwicklungsprozesses sind die Gedanken zum Unternehmertum von W.W. Rostow (1967) bezeichnend: Rostow sieht in der Durchsetzung des „Unternehmertyps“ einen entscheidenden Faktor für eine Modernisierung aller Ebenen. Den Typ des Unternehmers kennzeichnet die Aufgabe traditioneller Wege zu Macht und Prestige, eine individuelle Werthaltung, die dem Gewinnmaximierungsprinzip dienlich ist, die Bereitschaft zum Risiko und zur Innovation, sowie die Reinvestierung der Gewinne. Eine erfolgreiche Etablierung dieses Typs benötigt aber eine genügend durchsetzungsfähige Elite, welche mit den bestehenden Normen und Werten bricht und den Werten des „Unternehmertyps“ zum gesellschaftlichen Durchbruch verhilft. Denn: Wer ist besser für den Anstoss zu solchem Wandel geeignet als der Unternehmer aus den Industrienationen?

Die TNCs übernehmen demnach, neben der Kapitalzufuhr und dem Technologietransfer, auch eine dringend benötigte Sozialisationsfunktion im Gastland, welche bei der Überwindung der überkommenen Gesellschaftsordnung hilft und westliche, beziehungsweise kapitalistische Werthaltungen einführt.

Der Fokus verlässt den nationalen Rahmen

Die besagte Gegenposition zu den klassischen ökonomischen Theorien begann sich unter dem Namen Dependenztheorie und auch Weltsystemtheorie zu etablieren und wurzelte vorwiegend im Anti-Imperialismus kolonialisierter Länder. Die grundlegende Aussage dieser Theorie ist, dass die Beziehung zwischen den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern (Zentrum) und der Peripherie (unterentwickelte Länder) von Abhängigkeit geprägt sei. Die westlichen Länder perpetuierten ausbeutende Strukturen, welche sich auf der Grundlage kolonialer Beziehungen ausgebildet haben. Die von den ökonomischen Entwicklungstheorien propagierte endogene Erklärung der Unterentwicklung, nach der die Entwicklungsländer selbstverschuldet und aufgrund ihrer inneren Struktur unterentwickelt seien, wurde als unzutreffend abgewiesen. Die Teilnahme am Weltmarkt und die internationale Arbeitsteilung sind nicht entwicklungsfördernd, sondern im Gegenteil die grössten Problemfelder einer nachholenden Entwicklung. Das prominenteste Beispiel ist der ungleiche Werttransfer zwischen Zentrum und Peripherie. Unterentwickelte Staaten erzielen für ihre vornehmlich aus der Primärgüterproduktion stammenden Waren nur sehr tiefe Preise auf dem Weltmarkt, was auch daran liegt, dass keine kapital- oder wissensintensive Weiterverarbeitung im Lande erfolgt. Indessen müssen Investitions- und Luxusgüter teuer bei den Firmen der Zentrumstaaten eingekauft werden. Die unterentwickelten Staaten sind aufgrund dieses aussen-wirtschaftlichen Gefüges in einen inferioren Status versetzt, da die Einnahmen aus den Exporten niemals dazu ausreichen, die Kosten des Investitions- und Luxusgüterimports zu decken. Die Zentrumsländer zementieren diese Abhängigkeit, indem sie Kredite vorzüglich für Investitionen in die landwirtschaftliche Produktion und Rohstoffgewinnung gewähren, deren Güter sie selbst importieren wollen. Dies führt in den meisten Fällen zu einer zunehmenden Spezialisierung auf die Agrargüterproduktion und den Rohstoff-abbau anstatt eine ausbalancierte ökonomische Entwicklung zu ermöglichen.

Im Hinblick auf das ausbeuterische Verhältnis der westlichen Zentrumsländer zu der unterentwickelten Peripherie spielen transnationale Konzerne in diesen soziologischen Entwicklungstheorien eine grundlegende Rolle. Entgegen der entwicklungsökonomischen Positionen postulieren die soziologischen Theorien, dass TNCs mit ihren finanziellen Engagements langfristig nicht zu zusätzlicher Kapitalbildung beitragen, sondern durch die Repatriierung der Gewinne und überhöhte Lizenzzahlungen im Gegenteil einem Netto-Kapitalabfluss förderlich sind. TNCs fördern auch eine ungleich-mässige Produktionsstruktur, welche die Technologiediffusion behindert. Die von transnationalen Konzernen eingeführte, hochtechnologisierte Fertigungsindustrie lässt wenig bis gar keine Verwendung in der bestehenden Industrie des Gastlandes zu. Des weiteren sind die Eintrittsbarrieren für solche ausländische Technologie meist sehr hoch, was sich beispielsweise in restriktiven Patentregelungen zeigt. Solche Patente fördern die nationale Industrialisierung beziehungsweise die lokale Industrie der Entwicklungsländer wohl kaum. Auch das Argument der Arbeitsplatzbeschaffung sei nicht haltbar, da oft bestehende Firmen aufgekauft würden, in denen anschliessend aufgrund der Einführung neuer Technologie oder Rationalisierung sogar Arbeitsplätze gestrichen werden. Die soziologischen Entwicklungstheorien werfen auch einen kritischen Blick auf die Zielkonflikte von TNCs und den Regierungen in Entwicklungsländern und sagen den TNCs grossen politischen Einfluss nach. TNCs versuchen wie jede andere politische Interessengruppe die Entscheide der Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen und sind wegen ihrer immensen finanziellen Bedeutung dazu meistens auch imstande. So greifen sie denn auch zu ihrem eigenen Vorteil in die Machtverhältnisse des Landes ein. Dieser Einfluss zeigt sich beispielsweise in grossen steuerlichen Zugeständnissen oder infrastrukturellen „Geschenken“, welche die Gastländer im gobalen Wettbewerb um die transnationalen Unternehmen denselben gewähren. Das Ziel der Regierung eines Entwicklungslandes sollte es sein, innerhalb der weltweiten Produktionsstrukturen eine bessere Position zu erreichen. Das kann nur durch eine erhöhte Wertschöpfung in hochspezialisierten Branchen geschehen. TNCs verfolgen aber ein diametral entgegengesetztes Ziel. Sie tätigen ihre Investitionen in Entwicklungsländern gerade wegen der billigen Arbeitskräfte und Ressourcen und sind nicht an einer Änderung des Status Quo interessiert. Die hierarchische Aufteilung der Arbeit – die einfachen und arbeitsintensiven Arbeitsschritte in der Peripherie, der grösste Teil der Wertschöpfung in den Zentrumsländern – wird nach dieser pessimistischen Position durch TNCs unterstützt und perpetuiert. Je mehr ausländische Grosskonzerne in einem unterentwickelten Land also tätig sind, desto geringer ist die Chance, ein langfristiges gesamtwirtschaftliches Wachstum und sozio-ökonomische Gerechtigkeit zu erzielen.

Die Empirie schlägt zurück

Die Operationalisierung der Abhängigkeit bzw. des Einfluss-vermögens von TNCs wird in empirischen Arbeiten unisono über die von der UNCTAD erhobenen FDI-Daten (Foreign Direct Investments) vorgenommen. FDI umfassen jede ausländische Beteiligung am (Eigen)Kapital eines Unternehmens, welche einen Anteil von über 10% darstellt. So werden reine Portfolio-Investitionen abgegrenzt, die nicht mit langfristigem Interesse an Kontrollmöglichkeiten zusammenhängen. Über die Reliabilität und Validität dieser Daten lässt sich zwar streiten, nur sind sich alle Forscher einig, dass kein besserer Indikator mit derart flächendeckender Erhebung verfügbar ist. Eine Diskussion dieser Datenprobleme wird hier aus Platzgründen nicht vorgenommen.

Empirische Studien, welche Daten aus den 60er- und 70er-Jahren verwendeten, zeigten in ihren Resultaten eindeutig negative Effekte einer starken TNC-Präsenz auf (bspw. Bornschier/Chase-Dunn 1985, Dixon/Boswell 1996): In stark penetrierten Entwicklungsländern kann in diesen Studien eine systematische Verlangsamung des sozioökonomischen Fortschritts beobachtet werden. Neuere Studien, welche die 80er- und 90er-Jahre untersuchen (bspw. De Soysa/Oneil 1999, Herkenrath 2003), können diese systematischen negativen Effekte nicht mehr nachweisen, gleichzeitig aber auch keine positiven ausmachen.

Der Autor dieses Artikels kommt in seiner Forschungsarbeit zum selben Ergebnis: Weder die ökonomische noch die soziologische Position konnte statistisch überzeugend untermauert werden. Anhand eines multiplen Regressionsmodells wurde der interaktive Effekt einer grossen TNC-Penetration auf die Beziehung zwischen Wirtschaftswachstum und Kalorienkonsum, Kindersterblichkeit und Lebenserwartung untersucht. Für die Erklärung einer verbesserten respektive verschlechterten nachholenden Entwicklung der wirtschaftlich schwachen Länder scheinen zumindest in neuerer Zeit weder die Konzepte der Entwicklungsökonomie und der Modernisierungstheorie noch die Dependenz- und die Weltsystemtheorie die geeigneten Ansätze zu liefern. Der einzig überzeugende Befund, dass Wirtschaftswachstum tatsächlich empirisch positive Wirkung auf eine Verbesserung der Lebenschancen hat, spricht grundsätzlich für beide der klassischen Positionen, ist aber letztlich uninteressant. Ein systematisch nachteiliger beziehungsweise vorteiliger Zusammenhang zwischen einer Präsenz transnationaler Unternehmen und der nachholenden Entwicklung in der Gesamtheit der Entwicklungsländer scheint aufgrund der Resultate jedenfalls nicht gegeben.

Eine neue staatszentrierte Theorie?

Sind folglich alle der besprochenen Theorien für die heutige Zeit unbrauchbar? Nicht, wenn richtig argumentiert wird: Zu bedenken ist, dass die Mehrzahl der EL seit Ende des 2. Weltkrieges gegenüber den TNCs eine allgemein liberale und wenig restriktive Politik betrieben, während ab Mitte der 70er Jahre ein radikaler Umschwung zu beobachten war. Das Ende dieser „Laisser-faire“-Politik könnte der Grund für die Nulleffekte sein und bedeuten, dass die Regierungen heute besser in der Lage sind, mit den transnationalen Unternehmen und den negativen Folgen ihrer Präsenz umzugehen. Staatszentrierte Entwicklungstheorien (z.B. Evans et al. 1985) versuchen deshalb, bei der Erklärung des Entwicklungszustandes eines Landes sowohl äussere als auch innere Bedingungen zu berücksichtigen und so die traditionell getrennte Wahrnehmung zu überwinden. In dieser Sichtweise sind die Interventionen des Staatsapparates entscheidend für die Auswirkungen eines ausländischen Kapitalengagements. Wie kann beispielsweise ein produktiver Einsatz im Gastland (Realkapital) sichergestellt und ein Nettoabfluss der Finanzmittel (Geldkapital) ins Ausland verhindert werden? – Ein Staat kann u.a. steuernd eingreifen, indem er die Aktienkaufrechte ausländischer Investoren beschränkt oder Investitionen bevorzugt, welche dem Aufbau von neuen Unternehmen dienen und nicht eine Übernahme eines bereits existierenden Unternehmens zum Ziel haben. Um den Geldkapital-Zufluss zu garantieren und ein sogenanntes financial crowding out zu verhindern, bei dem die Kredit-Nachfrage der TNCs im Gastland zu einer Verdrängung von lokalen Kredit-Bezügern vom Kredit-Markt führt, sollte der Staat den Zugang der TNCs zur lokalen Kreditaufnahme beschränken. Ausländische Firmen sollten zudem so viele Ausrüstungsgüter und Vorprodukte wie möglich aus dem Gastland selber beziehen müssen, um ein Durchsickern des ausländischen Kapitals in den Kreislauf des Entwicklungslandes zu ermöglichen. Auch die Verwendung von neuen Technologien kann gefördert werden. Der Staat kann TNCs beispielsweise durch Steuererleichterungen Anreize zum Aufbau von F&E-Abteilungen im Gastland geben und Kooperationen mit lokalen Bildungseinrichtungen oder Unternehmen zur gemeinsamen Forschung und Entwicklung unterstützen. Notwendige Voraussetzung dazu ist aber die Verbesserung des eigenen volkswirtschaftlichen Humankapitals durch eine angemessene Bildungs-politik.

Die Prämissen der staatszentrierten Theorie erscheinen durchaus plausibel, was durch einige qualitative Studien bestätigt wird. Der Weg zu einer quantitativen Überprüfung der Hypothesen bleibt aber wegen der grossen Operationalisierungsprobleme und der bislang zu wenig ausdifferenzierten Theorie lang und steinig.

Marcus Habermann studiert im 10. Semester Soziologie, Betriebswirtschaft und Publizistik an der Universität Zürich. Der Artikel basiert auf der Forschungsarbeit "Aussenwirtschaftliche Abhängigkeit, Wirtschaftswachstum und Lebenschancen in den Entwicklungsländern", welche der Autor zusammen mit Oliver de Capitani im Dezember letzten Jahres abgeschlossen hat.

Literatur

Herkenrath, Mark (2003): Transnationale Konzerne im Weltsystem. Wiesbaden : Westdeutscher Verlag.
Nohlen, Dieter/Nuscheler, Franz (1992): Handbuch der Dritten Welt, Band 1: Grundprobleme Theorien Strategien. Bonn : Verlag J.H.W. Dietz Nachf. GmbH.
United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD): World Investment Report 2003. Online im Internet: http://www.unctad.org/Templates/Download.asp?docid=3785&lang=1&intItemID=2979 [Stand: 28.11.2004]

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« Unemployment does not mean lack of work, it means lack of paid work. Unemployment is an organizational problem, one with severe social consequences. It is a question of the distribution of the entrance ticket to what in these cultures is seen as a major symbol of full membership.»

Nils Christie (1994). Crime control as industry : towards GULAGS, Western style. London, New York: Routledge. S. 60.