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soziologie.ch soz:mag#4 "ich schwöre bei apollon dem arzte..."

"ich schwöre bei apollon dem arzte..."

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Zur Bedeutung des hippokratischen Eides für die Professionalisierung des Ärztestandes

Dass der Eid des Hippokrates vor allem das Patientenwohl schützen soll, ist eine weit verbreitete Meinung. Kaum bekannt sind die Passagen, welche weniger das Wohl der Patienten als das Wohl der Ärzte schützen und die Zahl der Konkurrenten klein halten sollen. Verbreitet ist zudem der Irrtum, dass Ärzte den hippokratischen Eid effektiv leisten und er demnach für die Tätigkeit der Ärzte verbindlich sei. Von der Feststellung ausgehend, dass der Eid des Hippokrates tatsächlich standespolitische Passagen enthält, jedoch längst nicht alle Ärzte ihn schwören, soll seine Bedeutung für die Professionalisierung der antiken und mittelalterlich-christlichen Ärzteschaft erörtert werden. Dabei drängt sich unweigerlich die Frage auf, in welcher Weise der Eid heute noch als Mittel zur Legitimation der ärztlichen Autonomie wirkt.

SOZ-MAG Beitrag von Lukas Neuhaus

Arzt-Patienten-Beziehung: Eine Vertrauensfrage

Für die ärztliche Profession ist es von elementarer Bedeutung, dass ihren Vertreterinnen und Vertretern von Seiten der Gesellschaft Vertrauen entgegengebracht wird. Für das Zustandekommen einer funktionierenden Arzt-Patienten-Beziehung ist zudem wichtig, dass dieses Vertrauen ohne Vorbedingungen entstehen kann, d.h. die Patientin muss der Ärztin auch ohne persönliche Bekanntschaft vertrauen können. Die fehlenden persönlichen Beziehungen müssen funktional ersetzt werden. Dieser Ersatz kann nur geleistet werden durch die Überzeugung seitens der Patienten, dass ihre Ärztinnen und Ärzte sich an ein bestimmtes Berufsethos halten. Die zentrale Bedeutung des Berufsethos (für welches oft als Umschreibung oder gar Synonym der Begriff "Hippokratischer Eid" verwendet wird) für die ärztliche Profession lässt sich somit aus der Notwendigkeit eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient schliessen.

Die autonome Stellung der Medizin als professionalisiertes Teilgebiet der sozialen Welt provoziert ein weiteres Problem: Die Gesellschaft braucht ein Garantieversprechen, dass die Ärzteschaft ihre privilegierte Monopolstellung auf keinen Fall missbraucht. Auch hier besteht neben verschiedenen gesetzlichen Regelungen auch der Glaube - oder vielmehr die Hoffnung? - dass sich die Ärzteschaft gemäss den Normen des hippokratischen Eides verhält. Die professionelle Autonomie des ärztlichen Berufsstandes wird durch den Eid als gemeinsame Referenz bestärkt. In dieser Hinsicht mag interessant sein festzustellen, dass der Begriff der Profession im Wortsinne neben seiner Übersetzung als "Gewerbe" bzw. "Beruf" auch auf einen öffentlich geleisteten Eid verweist (lat. professio = Gelübde, Bekenntnis). Der Zusammenhang zwischen der Professionalisierung des Ärztestandes und dem Eid des Hippokrates besteht also auch in rein begrifflicher Hinsicht.

Der historische Kontext

Zur Zeit der Niederschrift des hippokratischen Eides waren die darin beschriebenen praktischen Anweisungen an den Arzt keineswegs allgemeingültig. Die ethischen Maximen des Eides widersprachen gar teilweise den gängigen Vorstellungen über die medizinische Praxis. So galten den Zeitgenossen des Hippokrates weder Selbstmord noch Abtreibung oder Euthanasie als sittenwidrig, geschweige denn waren sie strafbar.

Um den historischen Kontext angemessen zu würdigen, muss man sich vergegenwärtigen, dass in der Antike keine Regelung oder Kontrolle der ärztlichen Ausbildung und Tätigkeit bestand. Wer sich demnach als Arzt betätigen wollte, konnte dies ohne weiteres tun. Heiler und Praktiker bildeten eine Vielzahl verschiedener Schulen mit unterschiedlicher Ausbildung und unterschiedlichen Fertigkeiten. Fest stehen dürfte lediglich, dass die wissenschaftlich qualifizierten Ärzte in der Minderzahl waren. Es kann also noch keine einheitliche Berufsauffassung oder gar ein geschlossener Ärztestand vorausgesetzt werden.

Fest steht, dass die Beachtung des hippokratischen Eides in der Antike aus heutiger Sicht überschätzt wird. So hatte er nur für eine kleine Gruppe von Ärzten überhaupt praktische Bedeutung, denn der Eid entspricht nicht der Norm seiner Zeit, die im Eid vertretene Ethik ist nicht Durchschnittsethik und deutet darum auf das Zeugnis einer Minorität hin.

Im Mittelalter änderte sich dies grundlegend. Die grosse Übereinstimmung zwischen den christlichen Werten und den ethischen Handlungsanweisungen des Eides führte zu dessen reger Bemühung. So hat der hippokratische Eid seine eigentliche Wirkung erst im christlichen und islamischen Umfeld entfaltet. Die in der Urfassung angerufenen griechischen Göttinnen und Götter wurden an die jeweils geltenden religiösen Lehren angepasst, so dass in der christlichen Version nun die Dreieinigkeit aus Vater, Sohn und heiligem Geist zur Zeugin gerufen wurde. Zum Schluss wird die Bitte um Gottes Beistand hinzugefügt. Dazwischen bleibt der zweite Teil des ursprünglichen hippokratischen Eides fast wörtlich stehen. Weitere christliche Umformungen des Eides unterstreichen vor allen Dingen das Abtreibungsverbot und machen dieses zu einem generellen und eindeutigen Verbot.

Die Ärzte des Mittelalters befanden sich zum Teil in scharfem Gegensatz zu den offiziell von der Kirche vertretenen Werten, die sich am Jenseits orientierten. Da die Ärzte oft an natürliche Ursachen von Krankheiten glaubten und nicht unbedingt als Strafe für Sünden sahen, entstanden Konflikte zwischen Kirche und Medizin. Nur wenige Ärzte beteiligten sich letztlich an der christlichen Krankenpflege. Diese orientierte sich an den Tugenden der Nächstenliebe. Sich den ethischen Vorschriften des hippokratischen Eides gemäss zu verhalten hiess demnach, gottgefällig zu leben. Die tätige Nächstenliebe wurde zum Mittel der Therapie, die Heilung wurde der Liebe Gottes zugeschrieben. In diesem christlich geprägten Umfeld spielt der hippokratische Eid aber nicht nur die Rolle der ethischen Norm, er beginnt auch ein Mittel der Bindung an die eidnehmende Instanz zu werden, sei es Fakultät, Kirche oder Staat. Der Eid ist allmählich zu einem Mittel der Disziplinierung geworden.

Im späten Mittelalter bilden sich mit der universitären medizinischen Ausbildung verschiedenste Eide heraus. Für die Promotion zum Lizentiaten oder Doktor der Medizin finden sich Eide, die dem Geist des hippokratischen Eides weitgehend entsprechen. Im Laufe der Zeit wurden die sozialen Mechanismen geschaffen, mit deren Hilfe die Stellung des Arztes im Verhältnis zu anderen Berufen einigermassen deutlich abgegrenzt werden konnte. Hierbei wirkte die Abgrenzung der Ärzte sowohl im Hinblick auf ehrenhafte Berufe, beispielsweise gegenüber den Apothekern, wie auch auf unehrenhafte, zum Beispiel gegenüber Badern oder Quacksalbern.

In der frühen Neuzeit schliesslich dient der Eid den professionell, d.h. akademisch ausgebildeten Ärzten offenbar vermehrt als Mittel der Abgrenzung gegenüber nichtakademischen Heilern. Ab dem 17. Jahrhundert entwickelten sich allenthalben Medizinalkollegien als amtliche Überwachungsorganisationen des Ärztewesens. Mit dem Aufkommen der revolutionären Tendenzen im späten 18. und bis Mitte des 19. Jahrhunderts erwuchs dem Zwang zur Eidleistung an den medizinischen Hochschulen immer mehr Opposition.

Für die heutige moderne Medizin spielt der Eid des Hippokrates keine verbindliche Rolle, wenn auch versucht wird, in modernen Standesordnungen an den Geist, in dem dieses Gelöbnis entstanden ist, wieder anzuknüpfen. Der Eid entspricht jedoch auch heute in wesentlichen Momenten nicht der normativen Einstellung vieler Ärzte und Laien. Seine Funktion ist aus einem anderen Grund ausserordentlich zentral. Als Mythos bindet er soziale Energie und trägt zur Legitimierung des Arztberufes bei. So betrachtet ist er schlicht ein Tradition verbürgendes Markenzeichen.

Eine strukturtheoretische...

Der Text des hippokratischen Eides liefert Hinweise dafür, dass funktionale Erfordernisse schon in antiker Zeit zumindest teilweise erfüllt werden mussten. Zuvorderst steht hier die Orientierung am Wohl des Patienten: "Die Verordnungen werde ich treffen zum Nutzen der Kranken nach meinem Vermögen und Urteil, mich davon fernhalten, Verordnungen zu treffen zu verderblichem Schaden und Unrecht." In diesem kurzen Abschnitt finden sich sowohl Hinweise auf die Orientierung am Nutzen der Kranken wie auch auf das objektive Urteil nach dem Vermögen des Arztes. Um sich vor emotionaler Überbeanspruchung zu schützen, wird dem angehenden Arzt ausserdem vorgeschrieben, sich nicht auf "Werke der Lust an den Leibern von Frauen und Männern, Freien und Sklaven" einzulassen.

Zentral für die Ausübung des Arztberufs ist aus heutiger Sicht das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Das Arztgeheimnis erfüllt diese Funktion, da es das Zustandekommen des Vertrauens garantieren soll. Interessant ist festzustellen, dass die Verfasser des antiken Eides offenbar schon die Bedeutung des Arztgeheimnisses für die Autonomisierung der Medizin erkannt haben: "ich werde von dem, was niemals nach draussen ausgeplaudert werden soll, schweigen, indem ich alles Derartige als solches betrachte, das nicht ausgesprochen werden darf ". Ein weiteres Beispiel: Das Schneiden des Blasensteins war in der Antike zwar ein von Ärzten häufig vorgenommener aber durchaus riskanter Eingriff, welcher nicht selten auch zu Unfruchtbarkeit führen konnte. Das Verbot dieses Eingriffs kann demnach dahingehend gedeutet werden, dass ein eventuelles Misslingen eine schwere Schädigung des Vertrauens in den Arzt bedeutet hätte. Es ist umstritten, ob das Verbot der Blasensteinbehandlung Ausdruck eines generellen Verbotes chirurgischer Eingriffe war. Die Chirurgie hat sich ihren Platz unter den medizinischen Künsten erst in der Neuzeit erkämpft und war in der Antike noch als unehrenhaft verpönt. Was ein rechter Arzt sein wollte, schnitt also keine Kranken. Das Verbot des Blasensteinschnitts kann demnach - exemplarisch - als Schritt zur Autonomisierung der Medizin gesehen werden. Eine bemerkenswerte Leistung des Hippokratischen Eides ist nicht nur die Aufstellung universaler ethischer Prinzipien, sondern auch, dass der Eid die ethischen Maximen nicht in Widerspruch zu jenen praktischen Erfordernissen brachte, die der Arzt im Eigeninteresse berücksichtigen musste.

Wir finden im hippokratischen Eid also durchaus Hinweise, die eine struktur-funktionalistische Interpretation des Textes zulassen. Es kann angenommen werden, dass das effektive physische Leisten des hippokratischen (oder irgendeines) Eides keinen Einfluss auf das Verhalten der (heutigen) Ärztinnen und Ärzte hat, da sich dieses Verhalten aus den funktionalen Erfordernissen der Arztrolle selbst ergibt. Auch die Standesordnungen und modernen Verhaltenskodizes sind hier nur Ausdruck dessen, was ohnehin als allgemein akzeptiert gelten sollte.

...und eine konflikttheoretische Lesart

Konflikttheoretische Überlegungen legen uns nahe, den hippokratischen Eid nicht nur als Dokument einer bestimmten Sippenethik, sondern auch als Instrument einer bewussten Standespolitik zu betrachten. Die Wahrung der Autonomie der Ärztegilde spielt im hippokratischen Eid eine gewichtige Rolle, es liegt ihm eine bestimmte Idee der Berufsgemeinschaft zugrunde. Auch viele Nachfolgeeide behalten die Grundzüge der Gildenpolitik bei, indem sie von den Schwörenden verlangen, sich standesgemäss zu verhalten.

Den vehementesten Vertretern der konflikttheoretischen Lesart zufolge ist der Eid des Hippokrates der Hauptgrund dafür, dass der Arztberuf zu einem derart unkontrollierbaren und unkontrollierten Beruf wurde. Die Autonomie des medizinischen Feldes wird auf kollegiale Geheimbündelei zurückgeführt. Diese Perspektive projiziert indes Ungereimtheiten im medizinischen Feld auf den antiken Eid und unterschlägt, dass dieser entweder in anderer Form - namentlich ohne die standespolitischen Passagen des ersten Teils - oder gar nicht mehr geleistet wird.

Es lassen sich auch abgeschwächte Formen einer konflikttheoretischen Lesart ausmachen. So gehört es zu den typischen Merkmalen der Professionalisierung eines Berufsstandes, dass eine besondere Berufsethik ausgebildet und propagiert wird. Die Statuten der ersten nachrevolutionären Ärztegesellschaften des 19. Jahrhunderts enthielten bereits standesethische Verhaltensvorschriften, denen durch ein Gelöbnis verpflichtender Charakter zukommt. Dieses Bemühen um die ethische Veredelung des Ärztestandes kann als Selbstformung und mehr noch als eine für die Öffentlichkeit bestimmte Imagepflege gewertet werden. Der wichtigste Grundsatz bleibt indessen die Kollegialität, welche als Garantie dafür gesehen wird, dass die Autonomie der medizinischen Wissenschaft gewahrt bleiben kann. So sollen allfällige Kontroversen weniger coram publico als vielmehr standesintern ausgetragen werden.

Die berufliche Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzten zeichnet sich durch eine hohe Ambivalenz aus. Einerseits herrscht grosse Unsicherheit und Ungewissheit, zum anderen hegen viele Mediziner ein Gefühl von Tugend und Stolz. Diese Haltung führt zu einem hohen Mass an Empfindlichkeit für die Kritik anderer. Um sich vor dieser Kritik zu schützen, wird auf die Befolgung der berufsethischen Regeln verwiesen. Ausserdem kann so die Autonomie der Profession legitimiert werden.

Der Grundgedanke des Gildenvertrages ist in den moderneren Nachfolgeeiden meist umformuliert worden in die weiter gefasste Forderung, den Berufskollegen Achtung entgegenzubringen. In dieser Form soll der Eid an die Selbstregulierung des Berufsstandes verweisen: der Schwörende wird daran erinnert, dass seine Kollegen mit moralischer Entscheidkompetenz ausgestattet sind und er beruflich unter anderem von ihrem Urteil abhängig ist.

Machttheoretisch betrachtet lässt sich der Eid des Hippokrates auch als ein die Wirklichkeit strukturierender Mythos fassen. Die Vorstellungen darüber, was der Eid sei, haben sich vom physischen Urtext abgelöst und existieren nun unabhängig als gemeinsame Referenz und bindendes Element in der Arzt-Patienten-Beziehung. Der Mythoscharakter des hippokratischen Eides äussert sich auch in seiner üblichen Vergegenwärtigung als Ritual. Ein beträchtlicher Teil der medizinischen Laien ist nach wie vor der Meinung, dass die Ärzte den hippokratischen Eid effektiv leisten.

Was bleibt?

Zweifellos hat der Eid des Hippokrates seine stetige Tradierung einzelnen überzeitlichen Aspekten der medizinischen Ethik zu verdanken. Offen bleibt, inwiefern die moderne christlich geprägte Medizin in ihrer Entwicklung den ethischen Ansprüchen des hippokratischen Eides folgte oder ob der Eid erst dann populär wurde, als er sich mit den christlichen Werten deckte. Interessant und erklärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass der Eid in seiner ursprünglich zeitgenössischen Rezeption befremdend gewirkt haben muss, während seine ethischen Grundsätze aus heutiger Sicht weitgehend banal erscheinen. So erscheint der Eid als antiker Vorgriff auf die ethischen Regeln der modernen Medizin.

Als Formel für das Berufsethos konnte sich der Eid erhalten, auch wenn er inhaltlich ständig modifiziert wurde und sich der Urtext mit den heutigen Vorstellungen nicht mehr vollumfänglich deckt. Die anhaltende Bemühung des Eides als Wegweiser zur ärztlichen Moral zeigt jedoch, wie die blosse Vorstellung eines idealen Berufsethos Ärzte wie Patienten gleichermassen zu binden vermag.

Lukas Neuhaus studiert Soziologie und Medienwissenschaften an der Universität Bern. Der Artikel ist die gekürzte Fassung einer Arbeit im Rahmen des Seminars "Professionalisierung".

Literaturauswahl

Deichgräber, Karl (1983) (4., erw. Aufl.): Der hippokratische Eid, Stuttgart: Hippokrates Verlag.
Edelstein, Ludwig (1969): Der hippokratische Eid, Zürich/Stuttgart: Artemis. [Original: The Hippocratic Oath, Baltimore 1943)
Freidson, Eliot (1979): Der Ärztestand. Berufs- und wissenschaftssoziologische Durchleuchtung einer Profession, Stuttgart: Enke.
Hackethal, Julius (1992): Der Meineid des Hippokrates. Von der Verschwörung der Ärzte zur Selbstbestimmung des Patienten, Bergisch Gladbach: Gustav Lübbe.
Parsons, Talcott (1958) [1951]: Struktur und Funktion der modernen Medizin, in: KZfSS Sonderheft 3, 10-57.

Der Eid des Hippokrates

Übersetzung nach Deichgräber (1983: 13ff)
"Ich schwöre bei Apollon dem Arzte und Asklepios und Hygieia und Panakeia und allen Göttern und Göttinnen, indem ich sie zu Zeugen rufe, dass ich nach meinem Vermögen und Urteil diesen Eid und diese Vereinbarungen erfüllen werde: Den, der mich diese Kunst gelehrt hat, gleichzuachten meinen Eltern und ihm an dem Lebensunterhalt Gemeinschaft zu geben und ihn Anteil nehmen zu lassen an dem Lebensnotwendigen, wenn er dessen bedarf, und das Geschlecht, das von ihm stammt, meinen männlichen Geschwistern gleichzustellen und sie diese Kunst zu lehren, wenn es ihr Wunsch ist, sie zu erlernen, ohne Entgelt und Vereinbarung und an Rat und Vortrag und jeder sonstigen Belehrung teilnehmen zu lassen meine und meines Lehrers Söhne sowie diejenigen Schüler, die durch Vereinbarung gebunden und vereidigt sind nach ärztlichem Brauch, jedoch keinen anderen.

Die Verordnungen werde ich treffen zum Nutzen der Kranken nach meinem Vermögen und Urteil, mich davon fernhalten, Verordnungen zu treffen zu verderblichem Schaden und Unrecht. Ich werde niemandem, auch auf eine Bitte nicht, ein tödlich wirkendes Gift geben und auch keinen Rat dazu erteilen; gleicherweise werde ich keiner Frau ein fruchtabtreibendes Zäpfchen geben: Heilig und fromm werde ich mein Leben bewahren und meine Kunst.

Ich werde niemals Kranke schneiden, die an Blasenstein leiden, sondern dies den Männern überlassen, die dies Gewerbe versehen.

In welches Haus immer ich eintrete, eintreten werde ich zum Nutzen des Kranken, frei von jedem willkürlichen Unrecht und jeder Schädigung und den Werken der Lust an den Leibern von Frauen und Männern, Freien und Sklaven.

Was immer ich sehe und höre, bei der Behandlung oder ausserhalb der Behandlung, im Leben der Menschen, so werde ich von dem, was niemals nach draussen ausgeplaudert werden soll, schweigen, indem ich alles Derartige als solches betrachte, das nicht ausgesprochen werden darf.

Wenn ich nun diesen Eid erfülle und nicht breche, so möge mir im Leben und in der Kunst Erfolg beschieden sein, dazu Ruhm unter allen Menschen für alle Zeit; wenn ich ihn übertrete und meineidig werde, dessen Gegenteil."

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«Der gesellschaftliche Fortschritt lässt sich exakt messen an der gesellschaftlichen Stellung des schönen Geschlechts (die Hässlichen eingeschlossen).»

Karl Marx (1868) in einem Brief an Ludwig Kugelmann