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soziologie.ch soz:mag#9 schlechte startbedingungen, verpasste chancen

schlechte startbedingungen, verpasste chancen

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Weshalb die USA die Fussball-WM nicht gewinnen werden

Der Fussball hat in seiner bisherigen Geschichte Unmengen von Fans auf der ganzen Welt in seinen Bann gezogen. Millionen von Menschen gewinnen aus der Anhängerschaft zu einem Fussballverein einen gewichtigen Teil ihrer Identität, auf vielen Plätzen der Erde wird der Sport sogar als Abbild der nationalen Kultur verstanden. In der grossen Sportnation USA allerdings fehlt dieses kollektive Identifikationsmoment des Fussballs. Sie hat offenbar gar nichts für diesen Sport übrig, die dortige Öffentlichkeit nimmt daran keinen Anteil. Warum aber können und wollen sich die Menschen in den Vereinigten Staaten nicht für den Fussball begeistern? Warum ist ein Land, das es in nahezu jeder Sportart an die Weltspitze gebracht hat, das 20. Jahrhundert hindurch ein fussballerisches Entwicklungsland geblieben? Kann das nur Zufall sein? Und gibt es Anzeichen, dass sich das jemals ändern wird?

SOZ-MAG Beitrag von Nikolaus Panny

In Deutschland ist um das Weltmeisterschaftsfinale von 1954 in Bern ein wahrer Mythos entstanden. Historiker, Publizisten und Zeitzeugen haben den WM-Sieg von damals schon als die „eigentliche Republikgründung“, als „nationalen Befreiungsschlag eines demoralisierten Volkes“ beschrieben, als jenes entscheidende Ereignis, durch welches Deutschland in der Welt „wieder etwas geworden“ ist und haben ihn – was eindeutig am perversesten ist – gar als „verspäteten Endsieg“ bezeichnet. In Österreich dagegen wird heute noch bei jeder Gelegenheit an das bedeutsame Spiel von Cordoba 1978 erinnert, wo der übermächtige „grosse Bruder“ (eben Deutschland) heroisch mit 3:2 besiegt wurde, womit der latente Minderwertigkeitskomplex dieses Landes wenigstens für kurze Zeit überwunden war. Und ORF-Kommentator Edi Fingers dazugehöriges Herausschreien seines „Narrisch-Werden“ ist mittlerweile in der Alltagssprache zu einem geflügelten und oft zitierten Wort geworden.

Derartige Beispiele für die langfristige gesellschaftliche Relevanz von fussballerischen Erfolgen gibt es zur Genüge. In den USA aber, die immerhin die Kulturgeschichte der westlichen Welt im 20. Jahrhundert wie keine zweite Nation geprägt haben, fristet der Fussball ein Schattendasein als Randsportart: Bei vielen Kindern und Jugendlichen ist er zwar ein beliebtes und – wegen der vergleichsweise geringen Verletzungsgefahr – auch von Eltern gerngesehenes Hobby, in der öffentlichen Diskussion dagegen ist er, zumindest was den Männerfussball anbelangt, praktisch inexistent.

Weshalb der Volkssport aus Europa in der Neuen Welt keinen Anklang fand

Um es gleich vorwegzunehmen: Die fehlende gesellschaftliche Verankerung und Akzeptanz des Fussballs in den USA hat sehr wohl spezifische Gründe. Dazu muss man in die Zeit um die Jahrhundertwende zurückgehen, wo die Weichen für die moderne Massenkultur des 20. Jahrhunderts gestellt wurden. Etwa von 1860 bis 1930 haben sich in den allermeisten Gesellschaften die bis heute beliebtesten Sportarten herausgebildet. Zu dieser Zeit hatte der Fussball in England bereits die elitären Schulen und Universitäten verlassen und stieg auf zu dem Sport, dem es wie keinem zweiten gelingen sollte, die Massen anzusprechen. Die Arbeiterschaft fand in den immer zahlreicher werdenden lokalen Fussballklubs und deren Spielerstars – die nun nicht mehr reiche Gentlemen waren, sondern ebenfalls dem Arbeitermilieu entstammten – binnen kurzem dauerhafte Identifikationsfiguren, oft sogar Familienersatz. Das regelmässige Pilgern ins Stadion samt Mitfiebern mit der eigenen Mannschaft entwickelte sich bald zur wesentlichen Freizeitbeschäftigung, mit der man versuchte, sich vom tristen Arbeitsalltag abzulenken. Fussball bildete also, und das für eine Vielzahl von Menschen, einen neuen Lebensinhalt.

Durch englische Bürger wurde der Fussball dann in andere europäische Staaten und in die Kolonien exportiert und trat so seinen unvergleichlichen Siegeszug rund um den Globus an. Überall schuf man durch die Gründung von Vereinen, Verbänden, Ligen und die Etablierung von Meisterschaften und Pokalwettbewerben feste Institutionen und Strukturen, die grösstenteils bis heute erhalten geblieben sind. Nur in den USA erhielt der Fussball wenig Zuspruch. Dort standen zu dieser Zeit bereits andere Sportarten im Vordergrund: An den Colleges wurde eine neue Variante des englischen Rugby gespielt, aus der dann die heutige Form des American Football hervorgehen sollte; bei den unteren Schichten war vor allem Baseball sehr beliebt, später fand auch Basketball seinen Weg zu einem nationalen Sport, der sich u. a. dadurch auszeichnet, dass er in die Alltagssprache Einzug gehalten hat und Gegenstand zahlreicher Mythisierungen [1] ist. Für Neuzuwanderer spielte Baseball ausserdem eine tragende Rolle beim Prozess der Integration in die amerikanische Gesellschaft: Das Spiel bot dadurch, dass es keine teure Ausrüstung erforderte und nahezu überall praktiziert werden konnte, eine perfekte Demonstrationsfläche für den eigenen „Willen zur Amerikanisierung“. Durch Baseball konnte man den eingesessenen Amerikanern signalisieren, dass man „dazugehören“ möchte und praktisch auch schon fast dazugehört.

Hauptgrund für die Entwicklung einer eigenen Sportlandschaft und der Ablehnung von „Soccer“ war, dass sich die USA ganz bewusst von England abgrenzen wollten und sich überhaupt in einer Art Sonderrolle auf der Weltbühne fühlten; gewissermassen als Vertreter einer einmaligen Spezies, eines von Gott auserwählten Volkes. Die Wurzeln dessen gehen zurück bis in die Zeit der ersten Siedler, der „Pilgrim Fathers“, die mit der berühmten Mayflower 1620 ins Land kamen. Sie und ihre unmittelbaren Nachfolger waren religiöse Separatisten, die ihr Mutterland England verliessen, um fernab von jeglicher Fremdbestimmung und institutionellen Einschränkungen (vor allem seitens der anglikanischen Staatskirche) ihre eigene, strikt Gottes Regeln gehorchende Gemeinschaft aufzubauen. Das zukünftige Amerika sahen sie als das irdische Paradies, das der übrigen Welt „den rechten Weg“ weisen und Idealbild sein sollte. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde dieser Mythos von „Gods Chosen People in Gods Own Country“ dann weiter ausgestaltet: So wurde das gewissenlose Vorgehen gegen die indianischen Ureinwohner, ebenso wie die offensive Ausdehnung des Staatsgebiets nach Westen, auch gegen die Ansprüche anderer Länder, als „Manifest Destiny“ bezeichnet. Es sei das offenkundige Schicksal der jungen Nation, also quasi Gottes Plan und Wille gewesen, sich mit allen Mitteln und ohne Rücksichtnahme auf andere immer weiter auszudehnen und den eigenen Machtbereich zu vergrössern.

Genau deswegen galt es in den USA sehr früh, Sportarten zu entwickeln und zu pflegen, die eindeutig „amerikanisch“ und nicht „europäisch“ waren, was gleichgesetzt wurde mit „veraltet“, „korrumpiert“, mitunter auch „gottlos“. Hinzu kam, dass man sich beim Fussball – ganz im Unterschied zu American Football, Baseball und Basketball – internationalen Regeln und mit der FIFA bald einer internationalen Körperschaft unterordnen musste, was mit dieser Mentalität ebenfalls schwer zu vereinbaren war. Kurz gesagt: Fussball taugte nicht als amerikanischer Sport, sondern blieb die meiste Zeit über ein Spiel für Migranten, die offensichtlich noch nicht richtig in den USA „angekommen“ waren.

Verpasste Gelegenheiten

Der Zufall will es, dass es in den USA nie gleichzeitig ein erfolgreiches Nationalteam und eine funktionierende heimische Liga gab. Somit hatte der Fussball zu keiner Zeit wirklich eine Chance, sich längerfristig in die Köpfe und Herzen der Menschen zu spielen und aus dem Schatten seiner übermächtigen Konkurrenten zu treten. Die Erfolge, welche die US-Nationalmannschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchaus feiern konnte (Erreichen des Halbfinales bei der aller ersten WM 1930, völlig überraschender 1:0-Sieg über England 1950), waren nur ein Strohfeuer. Um den Fussball fest im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern, hätte es eine halbwegs bedeutsame landesweite Liga als Fundament gebraucht. Die ursprüngliche American Soccer League, die von 1921 bis 1933 existierte, war eigentlich ein guter Anfang. Das rege Zuschauerinteresse übertraf mancherorts sogar jenes für Football und Baseball. Ein korruptes und unfähiges Management zerstörte jedoch die ASL, deren Nachfolge-Ligen gleichen Namens nicht an den ursprünglichen Erfolg anschliessen konnten.

So etwas wie eine kulturelle Verankerung, wenn auch nicht flächendeckend, erreichte der amerikanische Fussball erstmals in den 70er-Jahren, während der Ära der NASL, der North American Soccer League. Der Fussball, der in dieser Liga gespielt wurde, konnte sich sehen lassen und riss die Leute zeitweise wirklich von den Sitzen. Ein wesentlicher Grund dafür war, dass damals zahlreiche Weltstars ihre Karriere in den Staaten ausklingen liessen: Pelé, Franz Beckenbauer, Johan Cruyff, George Best oder Gerd Müller waren nur einige davon. Um den erfolgreichsten und populärsten Klub der NASL, New York Cosmos, der in seinen besten Zeiten regelmässig an die 50.000 Zuschauer ins Giants Stadium lockte, besteht noch heute ein regelrechter Kult. Das Problem allerdings war, dass das Nationalteam währenddessen nur unter „ferner liefen“ spielte und es bis einschliesslich 1986 nicht schaffte, sich für eine Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Die erste und zweite Spieler-Generation der 30er, 40er und 50er-Jahre waren mittlerweile zu alt und gute junge Profis gab es zu wenige. Das erkennt man auch, wenn man sich die Kaderlisten der NASL-Teams von einst durchsieht: Da lassen sich Engländer, Schotten, Iren, Deutsche, Holländer, Polen, Italiener und Lateinamerikaner ausmachen, US-Amerikaner findet man jedoch nur in den seltensten Fällen. Wahrscheinlich war dies auch der Grund, warum die Liga letztendlich zum Scheitern verurteilt war. Denn ein Sport, der praktisch nur Ausländer als Stars hat, lässt sich auch in den USA einfach nicht verkaufen.

Wenig Erfolg fĂĽr die neue Liga

Der bislang letzte Versuch, den Fussball in den Vereinigten Staaten auf eine gesunde Basis zu stellen, wurde 1996 – zwei Jahre nach der WM im eigenen Lande – mit der Gründung der Major League Soccer, kurz MLS unternommen. Diesmal lag das Augenmerk darauf, so vielen jungen amerikanischen Talenten wie möglich zum Einstieg in den Profisport zu verhelfen. Auf (ältere) ausländische Starspieler sollte nur vereinzelt zurückgegriffen werden.

Jedoch stand die MLS von Beginn weg auf wackeligen Beinen: Das Interesse privater Mäzene für den Fussball ist nach wie vor gering und auch das Engagement potenter Sponsoren hält sich in Grenzen. Der vor kurzem erfolgte Einstieg des österreichischen Getränkeherstellers Red Bull beim MLS-Klub New York Metro Stars ist die grosse Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Vor allem die eher bescheidenen Zuschauerzahlen, die bei weitem nicht mit jenen der grossen Ligen mithalten können, halten potentielle Investoren ab – der Durchschnitt für ein MLS-Spiel lag 2004 bei 15’600 Stadionbesuchern, ein NFL-Game sehen im Vergleich dazu etwa 60’000, eines der MLB im Schnitt über 40 000 Leute an. Lediglich das Finalspiel um die Meisterschaft, welches jährlich im Spätherbst ausgetragen wird, und das für jede amerikanische Sportliga obligatorische „Allstar-Game“ waren bis jetzt immer nahezu ausverkauft. Bei den Quoten für Fernsehübertragungen bietet sich praktisch das gleiche Bild. Allerdings zeigen Exklusivverträge der MLS mit so wichtigen Sendern wie ESPN, Fox Soccer Channel und ABC, dass die Medien dem Sport weiter die Treue halten – vielleicht, weil sie feststellen, dass das Fussball-Interesse der Amerikaner auf einer anderen Ebene kontinuierlich zunimmt, nämlich auf der des internationalen Wettkampfs.

Die Nationalmannschaft als Hoffnungsträger

Insbesondere während und direkt vor einer Weltmeisterschaft verfolgen immer mehr Leute Übertragungen von Spielen des US-Nationalteams. Der bekannte Soziologe und Sportexperte Andrei Markovits spricht von der „Olympiadisierung des Fussballs“ in den USA: Ähnlich wie es vielen eher unbekannten Sportarten während der Olympischen Spiele ergeht, fokussiert sich der Blick der US-Öffentlichkeit auch im Fussball alle vier Jahre auf ein Grossereignis. Um patriotische Gefühle entstehen zu lassen, werden die heimischen Athleten dann für kurze Zeit optimal ins Bild gerückt, während die Berichterstattung in den Jahren ohne WM-Turnier hingegen spärlich ausfällt. Die Chance, dass eine Fussballnachricht auf den Sportseiten der Tageszeitungen eine Schlagzeile oder in den grossen Sportmagazinen eine Coverstory bekommt, tendiert gegen Null.

Frühsommer 2006, wenn in Deutschland der neueste Gewinner des „Coup Jules Rimet“ ermittelt wird, ist der nächste Termin, an dem der Fussball in den Vereinigten Staaten wieder grosse mediale Aufmerksamkeit bekommen wird. Für die Nationalmannschaft bieten sich dort im Wesentlichen drei Szenarien an: Sie schneidet gut bis sehr gut ab, d.h. sie erreicht das Viertel-, Halb- oder gar das Finale, sie schneidet mittelmässig ab (Achtelfinale) oder sie verabschiedet sich wie 1998 nach der Vorrunde. Für ersteres spricht unter anderem die aktuelle FIFA-Weltrangliste [2], die das Team USA an fünfter Stelle und damit vor Topmannschaften wie Spanien, Frankreich, England, Italien, Portugal und Deutschland führt. Auch wenn man diesem Ranking nicht allzu viel Glauben schenken sollte, spiegelt es doch den enormen Aufwärtstrend der letzten Jahre wider. Ein weiteres Zeichen für den Fortschritt des US-Fussballs ist, dass mittlerweile etwa die Hälfte der Nationalspieler ihr Geld in Europa verdient, hauptsächlich in England, Deutschland und Holland. Die andere Hälfe setzt sich einerseits aus erfahrenen, andererseits aus jungen talentierten MLS-Spielern zusammen. Und dass die Jugendspieler der USA mittlerweile zu den Besten der Welt zählen, zeigte sich spätestens bei der Unter-20-Weltmeisterschaft des letzten Jahres in Holland. Dort bot die US-Mannschaft um das (angeblich) erst 16-jährige Wunderkind Freddy Adu Tempofussball auf taktisch, technisch und athletisch hohem Niveau und wurde vor den Fussballnationen Argentinien und Deutschland klar Gruppenerste.

Vergebliches Warten auf den Durchbruch?

Zweifellos ist eine finanziell auf gesunden Beinen stehende und für den Zuschauer attraktive heimische Meisterschaft für die weitere Entwicklung des Fussballs sehr wichtig. Aber nur ein international erfolgreiches Nationalteam, welches die „Heldengeschichten“ und Identifikationsfiguren produzieren und die Stärke der USA auf internationaler Ebene unter Beweis stellen kann, wäre in der Lage, dem Fussball den entscheidenden Kick zu geben und aus dem momentanen Rand- einen Volkssport zu machen. Der Radsport liefert ein gutes Beispiel: Vor rund zehn bis fünfzehn Jahren hat in den USA lediglich ein kleiner Kern hartgesottener Fans regelmässig die Tour de France verfolgt. Doch seit mit Lance Armstrong ein US-Amerikaner das Rennen mehrere Jahre lang dominiert hat, ist die Tour auf der anderen Seite des Atlantiks in aller Munde und Armstrong wurde zum Nationalhelden, der keinen Schritt unbeobachtet tun kann. Und weil dieser Mechanismus mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit noch länger gültig sein wird, darf der Fussball auf das Gleiche hoffen, sollten sich einmal sichtbare Resultate einstellen.

Die meisten Sportinteressierten in den USA wissen nämlich sehr wohl, dass Fussball weltweit die beliebteste Sportart ist und akzeptieren das auch. Aber sie wissen auch, dass sie bei diesem Spiel zumindest bis heute in keiner Weise mitreden konnten. Liesse sich diese Scharte ausmerzen, soll heissen: Hätte man auf einmal ein Nationalteam, welches es mit den stärksten Mannschaften der Welt aufnehmen und diese besiegen kann, ein Nationalteam, welches es schafft, bei einer WM das Finale zu erreichen oder – noch besser – selbiges zu gewinnen, würde sich das ganz schnell ändern. Dann wäre man geneigt, triumphierend zu verkünden, dass nun sogar der Fussball den Beweis für die eigene Vormachtstellung in der Welt liefere. Die USA sähen sich als führende Nation bestätigt und das Spiel um das runde Leder könnte auf diese Weise doch noch den Weg in die Herzen der US-Amerikaner finden. Alle negativen Vorzeichen und Ressentiments, die dem Sport momentan noch anhaften, würden verschwinden.

Doch aktuell ist das nur Wunschdenken. 2006 werden die USA aller Voraussicht nach nicht Fussballweltmeister werden, höchstens – wie 2002 in Japan/Korea – erneut ins Viertelfinale vorstossen, wobei auch das sehr schwierig scheint [3]. Sollte es dennoch gelingen, könnte Soccer in den direkt auf die WM folgenden Monaten sicher wieder einen breiten Platz in der Öffentlichkeit einnehmen. Mehr Jugendliche würden sich dazu animiert fühlen, mit dem Fussball zu spielen, würden in den Stars des Nationalteams ihre Idole sehen, die heimische Liga aktiv verfolgen und sich zum Ziel setzen, selbst einmal zum Profispieler zu werden. Scheitert die Mannschaft in der Vorrunde, würden sich andererseits sofort jene zu Wort melden, die den Sport schon immer als langweiliges Mädchen-Spiel angesehen haben, welches Europa dem Rest der Welt aufgezwungen habe. In beiden Fällen aber wird die Welle der medialen Beachtung bald wieder abebben und der Sport daraufhin in seine kleine kulturelle Nische zurückkehren, um dort unverändert auf Sparflamme vor sich hin zu köcheln. Wenn sie auch auf dem Weg der Besserung ist, die Beziehung „USA und Fussball“ bleibt vorerst eine schwierige.

[1] Beispiele für solche alltägliche Metaphern aus den drei genannten Sportarten wären: „screwball“, das obligate „strike!“, „shut-out“, „playing hardball“, „fumble“, „holding the line“, „playing one on one“ und viele andere. „Mythisierungen“ meint fortlaufend neu- und wiedererzählte Geschichten über bestimmte Mannschaften, Spieler und Trainer aus früheren Tagen des Sports, die so zur Legende geworden sind und die der Durchschnitts-Amerikaner heute einfach kennt. Exemplarische Beispiele für Mythen-umwobene Persönlichkeiten sind Babe Ruth im Baseball, Vince Lombardi (einer der erfolgreichsten Trainer in der Geschichte des American Football) oder Wilt Chamberlain im Basketball.

[2] Stand: März 2006

[3] Die USA wurden bei der Auslosung fĂĽr die WM in Deutschland in die Gruppe E mit den Gegnern Italien, Ghana und Tschechien gelost. Im Falle des Erreichens des zweiten Gruppenplatzes wĂĽrde man im Achtelfinale mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf den Tunierfavoriten Brasilien treffen.

Nikolaus Panny ist 22 Jahre alt und studiert Soziologie und Politikwissenschaft an der Universität Wien. Seine Interessensschwerpunkte: Politische Soziologie, Sportsoziologie, Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die Idee zum Artikel entstand während dem Schreiben einer Seminararbeit zum Thema „Der amerikanische Sonderweg“. Mittlerweile hat er seine Recherchen fortgeführt und nimmt die Fragestellung dieses Artikels auch in seine Diplomarbeit auf, die sich ebenfalls um das Thema „American Exceptionalism“ drehen wird.

Literaturauswahl:

Eisenberg, C. (Hg.) (1997): Fussball, Soccer, Calcio. Ein englischer Sport auf seinem Weg um die Welt. MĂĽnchen.
Gardner, P. (1994): The Simplest Game. The Intelligent Fan’s Guide to the World of Soccer. New York.
Gelfert, H.-D. (2002): Typisch amerikanisch. Wie die Amerikaner wurden, was sie sind. MĂĽnchen.
Gulianotti, R. (1999): Football. A Sociology of the Global Game. Cambridge.
Kuhn, H. (1994): Fussball in den USA. Bremen.
Lipset, S. (1967): The First New Nation. Garden City, NY.
Markovits, A., Hellerman, S. (2002): Im Abseits. Fussball in der amerikanischen Sportkultur. Hamburg.
Rader, B. (1994): American Sports. From the Age of Folk Games to the Age of Televised Sports. Englewood Cliffs, NY.

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Foucault ĂĽber seine eigene Forschungsarbeit:

«Es handelte sich um Forschungen, die einander sehr verwandt waren, ohne indessen ein kohärentes Ensemble zu bilden oder eine Kontinuität aufzuweisen. Es waren fragmentarische Foschungen, von denen letztlich keine vollendet wurde, ja nicht einmal Folgen hatte, zugleich zerstreute und sich ständig wiederholende Forschungsarbeiten, die in die gleichen Konzepte, die gleichen Themen, die gleichen Begriffe zurückfielen [...]. All das schleppt sich hin, geht nicht vorwärts, wiederholt sich und bidlet kein zusammenhängendes Ganzes; im Grunde sagt es beständig das Gleiche, doch sagt es vielleicht auch gar nichts aus. In zwei Worten: es ist nicht schlüssig» Michel Foucault (1977): Intervista a Michel Foucault (Gespräch mit Alessandro Fontana und Pasquale Pasquino vom Juni 1976), in: A. Fontana / P. Pasquino (Hg): Microfisica del Potere: Interventi plitici, Turin, S. 55f.