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soziologie.ch soz:mag#7 ausländerfeindlichkeit in der schweiz

ausländerfeindlichkeit in der schweiz

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Das Profil von BefĂĽrwortern und Gegnern der ,18%-Initiative'

Bauchentscheid gegen Jugos titelte der Blick nach dem Abstimmungssonntag vom 26. September 2004 über die abgelehnten Einbürgerungsinitiativen, gestützt auf die stark umstrittene Erstanalyse der Abstimmungsergebnisse durch das Forschungsinstitut ‚gfs.bern'. Was ist dran an der ‚Jugo-These'? Was bewegt die Schweizer, an der Urne für oder gegen Ausländervorlagen zu stimmen? Um dieser Frage nachzugehen, hat der Autor des folgenden Beitrags das Abstimmungsverhalten der Schweizer Stimmberechtigten am 24. September 2000 untersucht, als diese über die seit 1970 fünfte und jüngste Überfremdungsinitiative zu entscheiden hatten.

SOZ-MAG Beitrag von Raphael Weiss

1992 wurde von ultrakonservativen Kreisen, denen Freisinnige vom rechten Rand, Schweizer Demokraten und einige Vertreter der SVP angehörten, die Initiative „für eine Regelung der Zuwanderung“ – die sogenannte 18%-Initiative – lanciert. Diese forderte, dass der Ausländeranteil in der Schweiz 18% der Wohnbevölkerung nicht übertreffen dürfe. Zudem verlangte sie eine neue Berechnung des Ausländeranteils. So sollten Asylsuchende und Jahresaufenthalter ebenfalls dem Ausländeranteil angerechnet werden. Ausländische Wissenschafter, Führungskräfte, Künstler, Studenten und Schüler sollten dagegen für die Berechnung des Ausländeranteils nicht berücksichtigt werden.

Begriffsklärungen

In der Lizentiatsarbeit, die dem vorliegenden Artikel zu Grunde liegt, wurde eine Zustimmung zur 18%-Initiative als Ausdruck latenter Ausländerfeindlichkeit gewertet. Ausländerfeindlichkeit ist eine besondere Form von Fremdenfeindlichkeit. Fremdenfeindlichkeit bezeichnet ablehnende Einstellungen und Handlungen gegenüber allem, was als fremd empfunden wird. So sehr das Fremde Neugier und Interesse wecken kann, so sehr kann es auch als störend und bedrohend empfunden werden. Der Fremde kann der Nichtbekannte aus dem gleichen Dorf, der Zugzügler aus einer anderen Landesregion oder ein Angehöriger einer anderen Nation sein.

Bei der Ausländerfeindlichkeit ist die Staatsangehörigkeit das entscheidende Kriterium, eine Person als ‚fremd’ wahrzunehmen. Im Gegensatz dazu werden beim Rassismus und beim Ethnozentrismus einer Gruppe von Fremden biologische und kulturelle Merkmale (z.B. Hautfarbe) zugeschrieben und negativ gewertet. Während beim Rassismus die Verschiedenheit der Gruppen als unveränderlich betrachtet und auf die Differenz und den Ausschluss der anderen beharrt wird, neigt der Ethnozentrismus dazu, die Assimilation der anderen zu erzwingen.

Auswertungsverfahren

Die 18%-Initiative wurde am 24. September 2000 mit 63.8% Nein-Stimmen vom Volk und von den Ständen relativ klar verworfen. Die höchsten Ja-Anteile fand man in den Kantonen Schwyz (48.4%), Aargau (47.4%), Glarus und Solothurn (je 44.5%) sowie Thurgau (44.1%). Am deutlichsten verworfen wurde die Initiative in den Kantonen Waadt (23.6% Ja-Anteil), Genf (23.8%), Jura (25.5%), Neuenburg (25.6%) und Wallis (27.5%). Auf Kantonsebene ist demnach ein klarer Unterschied zwischen den Sprachregionen ersichtlich. Dieses auf den ersten Blick eindeutige Abstimmungsmuster konnte in der Lizentiatsarbeit, auf die nun näher eingegangen werden soll, weiter differenziert werden. Es wurde dabei hauptsächlich auf Gemeindedaten abgestützt. Über eine Aggregatdatenanalysen konnte der Einfluss verschiedener Gemeindemerkmale auf das Abstimmungsergebnis einer Gemeinde untersucht werden. Nebst den Gemeinderesultaten wurden dabei hauptsächlich Daten aus der Volkszählung 2000 verwendet. Diesen Aggregatdatenanalysen liegt also eine amtliche Vollerhebung auf Gemeindebasis zugrunde. Dieses Vorgehen minimiert das Problem von zu grossen Zeitabständen zwischen verschiedenen Datensätzen, da die Datenerhebung sowohl der abhängigen als auch der unabhängigen Variablen nicht mehr als ein paar Monate auseinanderliegen.

Für die Datenauswertung wurden multiple Regressionsanalysen gerechnet, um Zusammenhänge zwischen einer abhängigen Variable und mehreren unabhängigen Variablen zu untersuchen. Der Vorteil multipler Regressionsanalysen besteht in der Möglichkeit, Verzerrungen durch unberücksichtigte Drittvariablen zu verringern. Somit ist jeder ausgewiesene Effekt einer Variable unabhängig von den anderen aufgenommenen Variablen und kann somit als direkter Beitrag einer Variable verstanden werden.

Nachfolgend werden einzelne Resultate präsentiert.

Soziostrukturelle Einflussfaktoren

In einer ersten Analyse wurden nur Sprachregion und Siedlungskontext berücksichtigt. Wie erwartet waren bei der Abstimmung französischsprachige und städtische Gemeinden – im Gegensatz zu deutschsprachigen und ländlichen – ausländerfreundlicher eingestellt. Rätoromanische Gemeinden wiederum haben im Vergleich zur Deutschschweiz ebenfalls deutlich ausländerfreundlicher abgeschnitten. Die überdurchschnittliche Befürwortung der 18%-Initiative in der italienischen Schweiz kann mit gleichzeitiger Berücksichtigung des Siedlungstyps nicht mehr festgestellt werden. Der Siedlungstyp ist in diesem Fall ein besserer Indikator für das Abstimmungsergebnis italienischsprachiger Gemeinden.

Unter Einbezug soziostruktureller Faktoren musste die obige Analyse allerdings korrigiert werden. Es zeigte sich nämlich, dass die Frage, ob eine Gemeinde eher städtisch oder ländlich ist, unter Berücksichtigung der Bildungsstruktur keinen Erklärungswert mehr besitzt. Es gibt einen starken Bildungseffekt: Je höher der Anteil an tertiär Ausgebildeten in einer Gemeinde, desto geringer die Zustimmung zur 18%-Initiative der jeweiligen Gemeinde. Einerseits wurde also deutlich, dass ländliche Gemeinden eher ausländerfeindlicher gesinnt sind, doch zeigte sich andererseits auch, dass die soziostrukturelle Zusammensetzung einer Gemeinde – allem voran die Bildungsstruktur – diese Stadt-Land-Unterschiede viel besser zu erklären vermögen.

Ausländeranteil

In einem weiteren Modell wurde der Frage nachgegangen, ob ausländerfeindliche Haltungen in direktem Zusammenhang mit dem Anteil an Ausländern stehen. Die Analyse brachte zum Vorschein, dass der allgemeine Ausländeranteil einer Gemeinde eindeutig mit der Ausländerfeindlichkeit korreliert. Gemeinden mit einem hohen Ausländeranteil hatten bei der 18%-Initiative – unabhängig von der Integrationskultur bzw. dem ‚Ausländerfeindlichkeitsniveau’ der jeweiligen Sprachregion – eine höhere Zustimmung zu verzeichnen. Allerdings ist dieser Effekt nicht linear: Gerade bei Gemeinden mit einem äusserst geringen Ausländeranteil trifft man gemäss der Analyse ebenfalls eine relativ erhöhte Ausländerfeindlichkeit an.

Ausländergruppen

Doch sind offensichtlich nicht alle Ausländer in gleicher Weise von Ablehnung und Diskriminierung betroffen. Können spezifische Staatszugehörigkeiten der Ausländer die Stärke ausländerfeindlicher Haltungen negativ oder positiv beeinflussen? Mit den Daten der Volkszählung liess sich dies ebenfalls berücksichtigen. Aufgeschlüsselt nach den verschiedenen Herkunftsländern der in der Schweiz lebenden Ausländer wurde klar: Je höher der Anteil von Ausländern aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Afrika und aus der Türkei, desto grösser der Ja-Stimmenanteil bei der 18%-Initiative – unabhängig von den übrigen miteinbezogenen Einflussvariablen. Waren es früher vor allem italienische Staatsangehörige, die für negativen Gesprächsstoff sorgten («Tschingge»), so finden sich die aktuellen negativen Haltungen gegenüber Ausländern mit türkischer, afrikanischer oder jugoslawischer Abstammung in dieser Analyse bestätigt. Je höher der Anteil dieser drei Gruppen in einer Gemeinde, desto höher ist auch deren Ja-Stimmenanteil bei der 18%-Initiative. Der Anteil an Ausländern mit italienischen Wurzeln weist dagegen keinen Einfluss auf das Abstimmungsresultat auf.

Zusammenfassung

Bezüglich der Einflussstärke der vorgestellten Faktoren kann Folgendes festgehalten werden: Die Ausländerfeindlichkeit einer Gemeinde wird am stärksten von der Sprachregion beeinflusst. Die Bildungsstruktur ist der zweitwichtigste Faktor, während der Ausländeranteil und die Anteile gewisser Ausländergruppen als schwächste der vorgestellten Effekte immer noch hoch signifikante Ergebnisse aufweisen.

Diese Resultate der Analyse der 18%-Initiative können natürlich nicht ohne Weiteres auf die jüngsten Einbürgerungsvorlagen übertragen werden. Doch geben sie konkrete Hinweise, welche Faktoren bei Ausländervorlagen das Schweizer Abstimmungsverhalten an der Urne beeinflussen.

Eine ablehnende Haltung gegenüber bestimmten Ausländergruppen hat mit grosser Wahrscheinlichkeit einen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten. Insofern könnte von einem ‚Bauchentscheid gegen Jugos’ gesprochen werden. Allerdings spielen – wie aufgezeigt – auch zahlreiche andere Faktoren eine Rolle.

Vorsicht Fehlschluss!

Bei der Interpretation von Aggregatbeziehungen ist allerdings Vorsicht geboten. Der als „Ökologischer Fehlschluss“ von Robinson (1950) bekannt gewordene Lehrsatz besagt allgemein, dass man Resultate immer nur auf der Datenebene, auf welcher sie basieren, interpretieren soll. Ein Beispiel soll die Problematik des ökologischen Fehlschlusses verdeutlichen: Findet man auf der Makroebene einen positiven Zusammenhang zwischen Ausländeranteil und Gewaltdelikten, so lässt dies die Interpretation nicht zu, dass Ausländer gewalttätiger seien (Ausländer als Akteure). Denn es könnte auch daher rühren, dass sich die vermehrte Gewaltbereitschaft gegen die Ausländer richtet (Ausländer als Kontext).

So ist auch beim hier vorgestellten Bildungseffekt die genaue Wirkung unklar. Sowohl die individuelle Bildung als auch das Bildungsumfeld könnten eine Wirkung auf das individuelle Abstimmungsverhalten aufweisen. Mit einer Individualdatenanalyse, welche gleichzeitig Aggregatdaten (hier: Anteil tertiär Ausgebildeter in der Gemeinde des Befragten) und die thematisch gleichen Individualdaten (hier: tertiäre Bildung der befragten Person ja/nein) auf die abhängige Variable (hier: individueller Stimmentscheid) untersucht, kann die Wirkungsrichtung differenziert werden. Je nachdem, ob Aggregat- oder Individualdaten einen signifikanten Effekt aufweisen, kann entweder von einem Kontext- oder Individualeffekt gesprochen werden. Auch sind beide Effekte gleichzeitig möglich.

Um dem Problem des ökologischen Fehlschlusses entgegenzuwirken, wurden in der vorgestellten Lizentiatsarbeit zusätzlich ebensolche Individualdatenanalysen mit Daten der VOX-Analyse, dem etabliertesten Instrument für Nachbefragungen im Zusammenhang mit eidgenössischen Urnengängen, durchgeführt. Allerdings konnte bei diesen Individualdatenanalysen keiner der beiden möglichen Bildungseffekte als signifikant erkannt werden. Dies stellt keinesfalls das Ergebnis des Aggregatzusammenhangs in Frage, zumal die Aggregatdaten von äusserst hoher Qualität sind, nur kann somit keine eindeutige Schlussfolgerung für die Wirkung des Bildungseffekts abgeleitet werden.

Die Aussage hingegen, dass Stimmberechtigte, welche in Gemeinden mit einem hohen Ausländeranteil wohnen, die 18%-Initiative eher befürwortet haben, ist unproblematisch und unterliegt nicht der Möglichkeit eines ökologischen Fehlschlusses, da Ausländer nicht stimmberechtigt sind. Dadurch kann der Einfluss des Ausländeranteils nur als Kontexteffekt interpretiert werden. Eine zusätzliche Individualdatenanalyse ist in diesem Fall nicht nötig.

Raphael Weiss hat an der Universität Bern Soziologie und Medien-wissenschaften studiert. Der Artikel basiert auf seiner Lizentiatsarbeit "Das Profil der Schweizer Ausländerfeindlichkeit. Eine Individual-, Aggregats- und Kollektivdaten integrierende Analyse der 18%-Initiative" (Bern, Oktober 2004).

Literatur

Robinson, W. S. (1950): Ecological Correlations and the Behavior of Individuals, in: American Sociological Review, Jg. 15, Nr. 2, S. 351-357.
Welzel, Ch. (2003): Irrtümer bei der Interpretation des „ökologischen Fehlschlusses“: Zur Aussagekraft aggregierter Umfragedaten, in: Pickel, G. / Pickel, S. / Lauth, H.-J. / Jahn, D. (Hrsg.): Vergleichende Methoden in der Politikwissenschaft, Opladen, S. 179-200.Zerger, J. (1997): Was ist Rassismus? Göttingen.

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«Wer ernstlich über Sexualität zu sprechen beabsichtigt, kommt an der Gesellschaftsordnung nicht vorbei.»

Thomas Laqueur (1992): Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud, Frankfurt am Main, S. 24.