Viel wird über interdisziplinäre Forschung gesprochen, gesehen wird sie nicht allzu oft. Ein aktuelles Beispiel liefert das Projekt „Text & Berg“. Das Deutsche Seminar und das Institut für Computerlinguistik scannen zurzeit sämtliche Jahrbücher des schweizerischen Alpenclubs. Auf diese Weise sollen zum einen sämtliche Bände – speziell die mittlerweile in die Jahre gekommenen ersten Ausgaben (der erste Band stammt aus dem Jahr 1864) – vom Zerfall gerettet werden. Zum anderen soll ein Textkorpus entstehen.
Für Soziologen wird es vermutlich vor allem in der zweiten Phase spannend. Dann sollen neben Analysen der sprachlich formalen Seite der Texte (Grammatik, Morphologie, veraltete Wortformen) insbesondere auch die Veränderungen der Ausdrucksweisen und kulturelle Prägungen untersucht werden: Wie wird über Landschaften wie Berge und Täler geschrieben. Was sind die vorherrschenden Vorstellungen, wie man zu wandern hat, welche Berge man unbedingt erlebt haben muss etc. Die Wahl der Publikationen des schweizerischen Alpenclubs lässt sich vor allem damit erklären, dass sie eine ununterbrochene Reihe an Ausgaben von 1864 bis heute umfassen. Dies macht sie zu Datenträgern historisch und geistes- bzw. sozialwissenschaftlich nur schwerlich zu übertreffenden Wertes.
Auf dem Weg zu diesen Analysen muss aber zuerst das Korpus errichtet werden. Für die nicht Sprachwissenschaftler unter uns: Ein Korpus besteht aus den Inhalten der Dokumente selber und – umso wichtiger – aus Metainformationen wie Art des Textes (Erlebnisberichten, Wanderrouten, Zustandsbeschreibungen von Gletschern), Zeitpunkt der Entstehung, Verfasser und andere. Diese Zusatzinformationen helfen den ForscherInnen, Eigenschaften verschiedener Textsorten zuzuordnen und Spuren des „Zeitgeistes“ zu entdecken.
Für mich als Soziologen mit dem Nebenfach Computerlinguistik ist dieses Projekt äusserst aufschlussreich. Falls dieser kurze Beitrag dein Interesse geweckt hat, schau doch vorbei auf: www.textberg.ch
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