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die rettung der welt

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Ganz oben auf der Berufswunschliste diverser Sozialwissenschaftler steht, schwammig und schillernd, „irgendetwas bei einer NGO“. Man möchte doch seine Fähigkeiten nach dem Studium in den Dienst der Rettung der Welt stellen, armen Menschen helfen, in abenteuerlichen Ländern leben – und für sich selber Erfüllung finden in einer sinnstiftenden Tätigkeit. Aber wie kommt man eigentlich zu einem Job bei einer NGO?

Durch ein Praktikum, sagt man, und also begibt man sich ins Internet, stösst auf unzählige Organisationen, die Volontariate anbieten, und sieht bald den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Was wollte ich eigentlich? Bienenzuchtprojekt in Kamerun? Toilettenhäuschen bauen in Kambodscha? Englisch unterrichten in Dorfschulen in den Anden? Die Angebote sind so dubios wie vielfältig, und nicht selten ist man mit schlechten Bedingungen konfrontiert: keine Bezahlung, keine Kost und Logie, Reise wird auch nicht bezahlt. Okay... In Südamerika hat die Tu-Was-Gutes-Industrie mancherorts endgültig bizarre Formen angenommen: Eine Woche im Waisenhaus helfen kostet einen da 150 Euro! Naja, eine Woche Weltretten ist ja auch eher ein halbherziges Ferienabenteuer als eine wirklich ernsthafte Absicht...

Wer ein gutes Praktikum will, muss gründlich suchen und sich ernsthaft bewerben (nicht einmal das hilft zu 100 Prozent). Und natürlich muss man damit rechnen, dass das Unterfangen, die Welt zu retten, scheitern könnte. Scheitern an lauter kleinen Widerständen, an bürokratischen Hürden, missglückten Projektdesigns, korrupten Beamten, mangelnden Mitteln, fehlendem Engagement, und nicht zuletzt natürlich an „den Umständen“, die immer gerne Grosses zu Fall bringen.

Warum also ein Praktikum bei einer NGO machen? Um es dennoch zu versuchen. Um im Kleinen etwas beizutragen. Um sich neuen Erfahrungen, einer neuen Welt auszusetzen. Um sich im Ärger über das Scheitern selber besser kennen zu lernen. Um zu wissen, ob man sich ein Leben in einem armen Land ohne Supermärkte und warme Dusche auf Dauer überhaupt vorstellen kann.

Wenn die der Praktikantin mit mildem Lächeln zugeteilten Aufgaben unter den Erwartungen zurück bleiben, wenn der Arbeitstag aus Frustration und Warten und Stromausfällen bestand, wenn das eigene Handeln trotz Bemühungen einfach keine Früchte trägt, überkommt einen die Lust, das Handtuch zu werfen und das Gastland seinem Schicksal zu überlassen – bis man nach Feierabend auf dem Markt lokale Spezialitäten probiert oder spontan auf ein Glas Bier eingeladen wird. Bis man am Wochenende einem Sohn des ehemaligen Königs begegnet, der persönliche Einblicke in die Geschichte gewährt. Bis man sich in lauen Tropennächten die Ohren heiss redet über die (Un)Möglichkeit von Entwicklungszusammenarbeit. Plötzlich ist wieder klar, dass das Hiersein eine ganz besondere Erfahrung ist, die weit über den Inhalt des Praktikums hinaus reicht.

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